Funkspruch von havarierter Fähre "Sewol":"Die Schräglage ist zu groß"

Fährunglück Südkorea Sewol

Familienmitglieder von Vermissten blicken aufs Meer, in Richtung des Punktes, wo die Fähre Sewol sank.

(Foto: REUTERS)

Der US-Sender CNN veröffentlicht das Transkript eines Funkspruchs, der die Dramatik an Bord der "Sewol" offenbart. Die Hinterbliebenen machen ihrer Wut und Verzweiflung Luft - und können auf Sonderzahlungen aus Seoul hoffen.

Die Entwicklungen im Newsblog.

  • Transkript von Funkkontakt zeigt Dramatik der Havarie
  • Polizei stoppt Protestmarsch von Hinterbliebenen
  • Erste Leichen aus der Fähre geborgen - Zahl der bestätigten Todesopfer steigt auf 58, 244 gelten noch als vermisst, 174 Passagiere wurden gerettet
  • Regierung
  • Kapitän gibt "Sicherheitsgründe" für verspätete Evakuierung an
  • 26-Jährige Offizierin fuhr die Strecke zum ersten Mal

Neues Transkript von Funkspruch veröffentlicht: Nachdem bereits am Freitag ein Transkript des Funkkontakts zwischen der Sewol und der Hafenbehörde der Insel Jeju öffentlich wurde (nachzulesen zum Beispiel hier), zitiert CNN am Sonntag aus einer weiteren Konversation. Die Funksprüche verdeutlichen die Dramatik der Situation an Bord der Sewol:

Sewol: "Unser Schiff hat Schräglage und könnte kippen."

Hafenbehörde VTS: "Wie geht es den Passagieren?"

Sewol: "Es hat zu starke Schräglage und sie können sich nicht bewegen."

Dann, ein erneuter Kontakt wenig später:

Hafenbehörde VTS: "Können die Passagiere fliehen?"

Sewol: "Die Schräglage ist zu groß, es ist unmöglich."

Polizei stoppt Angehörige: Sie harren seit Tagen in einer Turnhalle 30 Kilometer vom Unglücksort aus, der Ort Paeng Mok Harbor hat sich in ein regelrechtes Flüchtlingslager verwandelt, wo Familien der Opfer des Schiffsunglücks Zuflucht finden - wo sie vor allem eines tun: auf Antworten warten. "Es gibt keine schlimmere Hölle als diese", zitiert der US-Sender CNN einen Angehörigen. Sie werfen der Regierung vor, nicht genug für die Rettung möglicher Überlebender getan zu haben. Die Verzweiflung der Familien schlägt zunehmend in Wut um: Am frühen Sonntagmorgen wollten etwa 100 Angehörige zu einem Protestzug in die 420 Kilometer entfernte Hauptstadt Seoul aufbrechen, um dort ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen. Etwa 200 Polizeibeamte hielten die wütenden Menschen zurück. Permierminister Chung Hong-won traf eine Abordnung der Opferfamilien in der Turnhalle, die derzeit als Notunterkunft dient.

Regierung definiert Katastrophengebiete: Die Regierung in Seoul hat zwei Regionen zu Sonderkatastrophenzonen erklärt. Betroffen sind der südliche Landkreis Jindo, vor dessen Küste sich das Unglück ereignete, sowie die Stadt Ansan nahe der Hauptstadt Seoul, wie der Rundfunksender KBS am Sonntag berichtete. Unter den 475 Insassen der Unglücksfähre waren 325 Oberschüler aus Ansan. Viele von ihnen werden noch vermisst. Als Katastrophengebiete haben die betroffenen Gemeinden wie auch die Familien der Unfallopfer Anspruch auf staatliche Sonderhilfen.

Bergungsarbeiten im Inneren des Schiffs: Bisher konnten die Taucher wegen der starken Strömung und schlechten Sicht nur die Frachträume erreichen, jetzt sind die Rettungskräfte erstmals in den Passagierbereich der gekenterten Fähre vorgedrungen und haben bisher 26 Leichen geborgen. Am Samstag kurz vor Mitternacht Ortszeit schlugen die Taucher ein Fenster an dem Wrack ein und zogen mehrere Todesopfer aus einem Kabinendeck, wie die Behörden am Sonntag mitteilten. Für die aktuell noch 244 als vermisst geltenden Personen besteht so gut wie keine Hoffnung mehr.

Angehörige der Opfer der Sewol

Polizei stoppt Protestmarsch von Hinterbliebenen.

(Foto: AFP)

Kapitän gesteht zu späte Evakuierung: Der Kapitän der vor Südkorea gesunkenen Fähre Sewol hat nach seiner Verhaftung angegeben, die Evakuierung des Schiffes aus Sicherheitsgründen verzögert zu haben. Bei einem Termin zur Verlesung des Haftbefehls sagte Kapitän Lee Joon Seok am Samstagmorgen auf Fragen von Reportern, zum Unglückszeitpunkt sei kein Rettungsschiff oder Fischerboot in Sicht gewesen. "Die Strömung war sehr stark und das Wasser war kalt", sagte der 69-Jährige. Er habe befürchtet, dass die Passagiere von der Strömung fortgerissen werden könnten. Nach Berichten von Überlebenden hatte die Crew nach dem Kentern des Schiffes zunächst Anweisung gegeben, in den Sitzen und Kabinen zu bleiben.

26-jährige Offizierin soll die Fähre gesteuert haben: Die Dritte Offizierin, die die havarierte südkoreanische Fähre Sewol zum Unglückszeitpunkt steuerte, hat die schwierige Strecke nach Medienberichten zum ersten Mal befahren. Vor der Unglücksfahrt am Mittwoch habe die 26-Jährige noch nie ein Schiff durch die Gewässer gesteuert, die für ihre starken Strömungen berüchtigt sind, berichtete der staatliche Sender Arirang am Samstag unter Berufung auf die Ermittler. Der Ort der Havarie liegt auf einer Route, die an einer Kette von vielen kleinen Inseln vorbeiführt. Drei Tage nach dem Untergang der Fähre wurden die junge Frau und der Kapitän sowie der Steuermann unter anderem wegen des Vorwurfs der Fahrlässigkeit verhaftet.

Wendemanöver als Unglücksursache? Experten vermuten, dass das Schiff auf einen Felsen lief oder eine scharfe Kurve fuhr, wodurch die Ladung - darunter mehr als 150 Autos - verrutschte, was das Schiff zum Kentern brachte. Einige Passagiere wollen einen Knall beziehungsweise ein "pochendes Geräusch" gehört haben, bevor das Schiff gestoppt habe. Der Kapitän Lee Joon Seok sagte jedoch der Zeitung Dong AIlbo, die Fähre sei "plötzlich gesunken", einen Felsen habe er nicht gerammt. Andere Quellen berichteten, dass die Fähre von der üblichen Route abgewichen sein soll. Auch ein Motorschaden wurde nicht ausgeschlossen.

Linktipp:

"Mum, das könnte die letzte Chance sein, Dir zu sagen, dass ich Dich liebe": Die BBC hat hier letzte SMS von Passagieren und Berichte von Überlebenden zusammengetragen.

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