Süddeutsche Zeitung

"Ezadeen":Flüchtlinge zahlten bis zu 8000 Dollar für Überfahrt

  • Die Flüchtlinge an Bord des manövrierunfähigen Frachters Ezadeen zahlten bis zu 8000 Dollar für die Überfahrt.
  • Die 360 Flüchtlinge haben das Schiff in Italien verlassen und kamen in verschiedenen Auffanglagern unter.
  • Womöglich haben sich die Schlepper unter die Passagiere gemischt.

Tausende Euro für Überfahrt

Dass sich Schleuser von Flüchtlingen für die gefährlichen Passagen über das Meer gut bezahlen lassen, ist bekannt. Wie viel die Flüchtlinge an Bord des führungslosen Frachters Ezadeen nach eigenen Aussagen an die Menschenschmuggler zahlten, haben die italienischen Behörden nun mitgeteilt: 4000 bis 8000 Dollar (3320 bis 6640 Euro). Demnach waren die aus Syrien stammenden Flüchtlinge über den Libanon per Flugzeug in die Türkei gereist, wo sie an Bord der Ezadeen gingen.

"Ezadeen" trieb führerlos in der Adria

Die italienischen Behörden hatten die manövrierunfähige Ezadeen am Donnerstagabend 150 Kilometer vor der kalabrischen Küste entdeckt. Sechs Vertreter der Küstenwache wurden am Freitag von einem Marine-Hubschrauber auf den Frachter abgeseilt und übernahmen das Kommando an Bord. Am Freitagabend traf das 73 Meter lange Schiff, das eigentlich für Viehtransporte vorgesehen ist, in der süditalienischen Stadt Corigliano ein. Auf dem Schiff befanden sich 360 Flüchtlinge, die am Samstag an Land gingen. Unter ihnen waren laut Nachrichtenagentur Ansa auch viele Kinder und schwangere Frauen. Sie konnten am Morgen den fast 50 Jahre alten Frachter verlassen und wurden medizinisch betreut und in Aufnahmelager gebracht.

Schlepper verlassen Schiffe

Ihre Schleuser hatten die Flüchtlinge auf der Ezadeen ohne Treibstoff ihrem Schicksal überlassen. Laut Aussage der Geretteten hatten die Besatzungsmitglieder stets das Gesicht verhüllt, bevor sie die Brücke verließen und das Schiff führungslos vor Italien im Meer treiben ließen. Demnach ist es möglich, dass sich die Schleuser unerkannt unter die Flüchtlinge mischten, um mit ihnen schließlich das Schiff zu verlassen.

Es war der zweite derartige Vorfall innerhalb weniger Tage, erst am Mittwoch hatte die Küstenwache fast 800 Migranten auf dem führungslosen Frachter Blue Sky M gerettet, der im Autopilot auf die felsige Küste Italiens zusteuerte.

Neue Diskussionen um Schlepper-Methoden

Die Vorfälle haben heftige Diskussionen über diese neue Methode der Menschenschmuggler-Banden entfacht. Diese Taktiken erforderten auch neue Antworten, sagten am Samstag die Chefs der Deutschen

Polizeigewerkschaft und der Bundespolizeigewerkschaft DPolG, Rainer Wendt und Ernst Walter. Das jetzige Verfahren sei "völlig verfehlt". Auch Grünen-Chefin Simone Peter forderte die EU angesichts der Tragödien auf, "ihre grausame Abschottungspolitik" zu beenden.

Schon am Freitag hatte die EU-Grenzschutzagentur Frontex die "Geisterschiffe" mit ungewohnt harschen Worten kritisiert. Die Methoden der Schmuggler zeigen "einen neuen Grad der Grausamkeit", hieß es.

Seit September sei ein Trend zum Einsatz von Frachtschiffen zu beobachten, um "die Zahl der Flüchtlinge auf den Booten zu erhöhen", sagte Carlotta Sami, die Sprecherin der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR für Südeuropa, der Zeitung "La Repubblica".

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