Süddeutsche Zeitung

Exportschlager Weihnachtsmarkt:Kopenhagener finden ihre Weihnachtsmärkte "zu deutsch"

In der dänischen Hauptstadt wird über Deutschlands besinnlichen Exportschlager gestritten. Dabei geht es jedoch weniger um die Deutschen als um die Dänen selbst.

Gefühlt hat in Deutschland jede Gemeinde einen Weihnachtsmarkt. Offiziell gibt es keine Erhebungen, aber rein rechnerisch käme man auf mindestens 2500 Märkte in Deutschland. Besinnlichkeit und weihnachtliche Atmosphäre sind aber nicht nur hierzulande gefragt. Auch im Ausland greift die Weihnachtsmarktstimmung um sich. Von Verona über Chicago bis nach Sapporo wird das deutsche Erfolgsmodell kopiert.

Doch der deutsche Exportschlager kommt nicht überall gut an. In Dänemark formiert sich Widerstand gegen die Gemütlichkeit in Form von Rostbratwurst, Glühwein und Alpenmotiven: "Die Deutschen sind zweifellos sehr gut darin, Weihnachten zu feiern, aber es hat überhandgenommen auf all diesen Märkten", sagt Maria Auchenberg von der Handelsvereinigung "KBH K - Commerce & Culture", einem Zusammenschluss von 250 Gewerbetreibenden in Kopenhagen, der dänischen Zeitung Informatíon. Demnach würden die Weihnachtsmärkte nach deutschem Vorbild zu viel Platz in der Stadt einnehmen. Dabei seien sie nicht einmal komplett deutsch. Das sei verwirrend für die Besucher und überhaupt würden die Stände Produkte verkaufen, die kein Däne mit Weihnachten in Verbindung brächte.

Viel Bratwurst, wenig Variation

Auch die Politiker im Kopenhagener Rathaus stehen den Märkten der Zeitung zufolge skeptisch gegenüber. "Ich finde, dass deutsche Weihnachtsmärkte sehr gemütlich sind ... in Hamburg oder Wien", sagte Kopenhagens Umweltbürgermeister Morten Kabell. Das deutsche Konzept, die Schablone für öffentlich zelebrierte Weihnachtsstimmung könne man überall in gleicher Form in Europa finden. "Die sozialdemokratische Politikerin Ritt Bjerregaard hat einmal gesagt: 'Historisch, sozial und kulturell gesehen ist Dänemark Teil der der Norddeutschen Tiefebene' - aber wir müssen ja nicht alle ihre Traditionen übernehmen," so Kabell. Jakob Hougaard von den Sozialdemokraten pflichtet ihm bei: "Wir müssen eine Debatte darüber führen, ob das dänische Weihnachten zu deutsch geworden ist."

Nach dem Ausschluss der Autos aus der Innenstadt hatte die Stadtregierung von Kopenhagen beschlossen, die Stadt durch öffentliche Veranstaltungen beleben zu wollen. Mehr Genehmigungen für Märkte wurden vergeben - vorwiegend an Unternehmer mit Weihnachtsmarktkonzepten nach deutschem Vorbild. Mit dem weit verzweigten Netzwerk an Zulieferern und den Erfahrungswerten aus einem global erfolgreichen Geschäftsmodell stößt die Marke Weihnachtsmarkt auf großes Interesse. Einerseits sind die Weihnachtsmärkte mit ihren heimeligen Hütten bei Veranstaltern als Publikumsgarant beliebt, andererseits wittern deutsche Schausteller, Lebensmittelproduzenten sowie Kunsthandwerker ein Geschäft. So liefert etwa der Dürener Keramikhersteller Mohaba inzwischen einen großen Anteil seiner Glühweintassen auch ins Ausland.

Obwohl die Märkte nach deutschem Vorbild auch in Dänemark gut ankommen, ergab eine Befragung des Center for Trafik og Byliv (Zentrum für Verkehr und Stadtleben) aus dem vergangenen Jahr, dass die Hälfte der Weihnachtsmarktbesucher diese kritisch sehen. Kitsch und Alpenhüttenromantik hätten wenig mit dem Kopenhagener Weihnachtsfest zu tun, heißt es in dem Papier aus dem die Informatíon zitiert.

Veranstalter verstehen den Ärger nicht

Ob die Debatte dabei tatsächlich über die deutsche Wurst geführt wird, ist fraglich. Die dänische Historikerin Caroline Nyvang sagte der Informatíon, es gehe vor allem um Ängste der Dänen ihre Traditionen zu verlieren: "Wir werden nationalistischer und wollen als Reaktion auf die fortschreitende Globalisierung der Welt unsere Traditionen schützen".

Die Organisatoren der Weihnachtsmärkte in Kopenhagen empfinden die Kritik an ihrem Geschäftsmodell hingegen als unbegründet. "Es gibt nicht einen einzigen deutschen Weihnachtsmarkt in Kopenhagen - sie sind dänisch mit deutscher Inspiration," sagt Michael Deutsch, der auf seinem Markt neben Glühwein auch die dänische Variante Gløgg anbietet. "Wir sprechen so viel über Integration, und dass es wichtig ist, aufgeschlossen zu sein. Was ist denn wirklich richtig dänisch, deutsch oder englisch am Weihnachtsfest?", fragt Henrik Mortensen, ebenfalls Weihnachtsmarktveranstalter in Kopenhagen.

Vor Kurzem haben die Dänen über einen Wertekanon abgestimmt, in dem das christliche Kulturerbe des Landes, die Sprache und das Konzept der dänischen Gemütlichkeit namens "Hygge" zu Nationalgütern erklärt werden sollen. Was an Jul (Weihnachten) typisch dänisch sein soll, darüber halten sich die Weihnachtsmarkt-Kritiker allerdings zurück.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3302137
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/mane
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.