Explosion in Den Haag:„Mir zittern die Knie“

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Die Bilder erinnern eher an einen Kriegsschauplatz. (Foto: Phil Nijhuis/dpa)

In den Niederlanden reißt eine beispiellose Detonation mehrere Menschen aus dem Leben und ein Loch in ein Den Haager Viertel. Haben die Aktivitäten der organisierten Kriminalität eine neue Dimension erreicht?

Von Thomas Kirchner

Was Explosionen betrifft, sind die Niederländer leidgeprüft. Seit Jahren platzieren Kriminelle Sprengsätze vor Wohnungen oder Häusern von Konkurrenten und Feinden. Es geht um nicht bezahlte Rechnungen, Warnungen, Drohungen in der Organisierten Kriminalität. Hundertfach im Jahr meist bleibt es bei Sachschäden. Im Februar löste mutmaßlich eine Verpuffung in einer Kokainwäscherei in Rotterdam einen katastrophalen Brand aus, der drei Menschen das Leben kostete.

Doch was am Wochenende in Den Haag passierte, erreicht eine neue Dimension – wenn sich der Verdacht auf einen kriminellen Hintergrund erhärtet. Eine Explosion am Samstagmorgen im Viertel Tarwekamp zerstörte einen Teil eines Häuserblocks, sechs Menschen starben, vier wurden verletzt, zwei von ihnen schwer.

Zu der möglichen Ursache der Explosion blieben die Behörden bisher vage. (Foto: Phil Nijhuis/dpa)

Ministerpräsident Dick Schoof war schon am Sonntag da, der König kam am Montag – und rang anschließend nach Worten, sein Entsetzen auszudrücken. Er sei schockiert über das Ausmaß der Verwüstung, sagte Willem-Alexander. „Mir zittern die Knie.“ Auf Videos sieht es, nur ein paar Kilometer von Parlament und Regierungssitz entfernt, aus wie nach einem Bombenangriff in einem Kriegsgebiet: In einen dreistöckigen L-förmigen Wohnblock hat die Explosion ein großes Loch gerissen, von fünf Wohnungen, einem Café und einem Geschäft für Brautkleider ist nur ein Schuttberg übrig. König und Premier sprachen den Angehörigen ihr Mitgefühl aus.

Ausgebranntes Auto in der Nähe

Die geborgenen Opfer sind offenbar derart entstellt, dass sie zum Teil von Spezialisten auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol identifiziert werden müssen. Bewohner von etwa 40 Wohnungen wurden in Sicherheit gebracht.

Die Explosion ereignete sich um 6.15 Uhr am Samstagmorgen, Anwohner berichteten, es habe sich wie ein „Erdbeben“ angefühlt. Laut Bürgermeister Jan van Zanen kam es erst zu einer kleinen Explosion, dann zu einer sehr viel größeren. So ist es auch auf Videos in sozialen Medien zu hören. Viele Anwohner wurden im Schlaf überrascht, rannten im Pyjama auf die Straße.

Zur möglichen Ursache bleiben die Behörden bisher vage. Es gebe Hinweise auf einen kriminellen Hintergrund, sagte Staatsanwältin Margreet Fröberg, ein Bezug zur Drogenkriminalität werde untersucht, Genaueres lasse sich noch nicht sagen. Untersucht werde auch die Rolle eines in der Nähe entdeckten ausgebrannten Autos. Vor allem aber fahnden die Ermittler nach einem Auto, das sich unmittelbar nach der Explosion mit hoher Geschwindigkeit aus dem Viertel entfernte. Auf der Hand liegt vorerst nichts: Weder war Gas zu riechen, noch sind Utensilien eines Drogenlabors aufgetaucht oder Reste schwerer Feuerwerkskörper, die schon mehrmals große Schäden verursacht haben.

„Wenn dies das Ergebnis einer absichtlichen Explosion wäre, wäre das schrecklich“, sagte Justizminister David van Weel laut Medienberichten. Das würde auch unterstreichen, was für ein „großes Problem“ die Niederlande mit Explosionen haben. Eine lokale Stiftung rief zu Spenden für die Betroffenen im Viertel auf, bis Montagnachmittag kamen mehr als 300 000 Euro zusammen.

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