EXKLUSIV:Maltas Behörden holen sich Hilfe beim BKA

EXKLUSIV: Das Autowrack nach dem Bombenanschlag auf Caruana Galizia.

Das Autowrack nach dem Bombenanschlag auf Caruana Galizia.

(Foto: STR/AFP)
  • Sechs Wochen nach dem Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia haben Maltas Sicherheitskräfte zehn Personen verhaftet.
  • Es ist aber noch immer unklar, wer den Auftrag zum Anschlag gegeben hat.
  • Nun hat sich auch das deutsche Bundeskriminalamt eingeschaltet; es hat Unterlagen an die maltesischen Behörden herausgegeben, die offenbar ähnlich oder identisch mit dem Panama-Papers-Datensatz sind.

Von Oliver Meiler, Rom, Katrin Langhans und Bastian Obermayer

Eineinhalb Monate nach dem Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia haben Maltas Sicherheitskräfte am Montag bei einer Razzia von Polizei, Armee und Staatsschutz zehn Personen verhaftet. Sie werden verdächtigt, am 16. Oktober die Autobombe gezündet zu haben. Für die Bekanntgabe dieser Nachricht berief Maltas Premierminister Joseph Muscat eine Pressekonferenz ein: "Ich habe eine klare Vorstellung davon", sagte er, "was diese Personen getan haben und wer sie sind. Doch Einzelheiten kann ich zu diesem Zeitpunkt keine nennen."

Die zehn Personen sollen maltesische Staatsbürger sein; einige von ihnen waren der Polizei bereits bekannt. Die Ermittler vermuten, dass es sich bei den Verhafteten um die ausführenden Täter handelt. Wer den Auftrag zum Anschlag gegeben hat, bleibt unklar.

Daphne Caruana Galizia, 53, hatte sich viele Gegner erschrieben mit ihrem engagierten Journalismus. Ihr Kampf galt der Offenlegung von Korruption und organisiertem Verbrechen auf der Insel. In ihrem populären Blog "Running Commentary" griff sie Politiker beider großen Parteien an, der regierenden Labour Party wie der oppositionellen Nationalist Party, und dies stets mit scharfem Ton.

Am kritischsten war sie in den vergangenen Jahren aber mit einigen Mitgliedern aus Muscats Kabinett, dem Premier selbst und mit dessen Frau. Sie warf ihnen vor, sie hätten Firmen in Panama und Trusts in Neuseeland benutzt, um Geld vor dem maltesischen Finanzamt zu verstecken. In einem ihrer letzten Fälle ging sie dem Verdacht nach, dass die Gattin des Regierungschefs, Michelle Muscat, im Rahmen eines Energiedeals mit Aserbaidschan womöglich Bestechungsgeld in Millionenhöhe erhalten haben könnte - getarnt durch eine anonyme Firma aus den Panama Papers.

Die Familie der Ermordeten traut der Regierung nicht

Joseph Muscat war nun bemüht, möglichst entschlossen zu wirken: "Ich möchte betonen", sagte er, "dass der Staat und ich selber alles daransetzen, dass die Verantwortlichen für dieses Verbrechen und deren Auftraggeber verurteilt werden." Zuletzt gab es Zweifel an diesem Vorsatz, obschon der Staat eine Million Euro ausgelobt hatte für sachdienliche Informationen. Die Familie der ermordeten Bloggerin traut der Regierung jedoch nicht. In einem offenen Brief warf sie ihr Untätigkeit vor: "Ihr lügt, wenn ihr behauptet, alles zu tun, damit die Schuldigen vor Gericht kommen. Eure Entschlossenheit ist in Wahrheit auf Niveau null."

Zweifel am Aufklärungswillen der maltesischen Regierung hatte vor einigen Tagen auch eine Delegation aus dem Europaparlament geäußert. Die Abgeordneten waren nach Malta gereist, um sich einen Eindruck über den Zustand der Rechtsstaatlichkeit auf der Insel zu verschaffen. Anlass dafür war der Mord an Daphne Caruana Galizia. Manche Vertreter der Regierung, mit denen sie sich gerne unterhalten hätten, verweigerten sich einem Gespräch und beantworteten die Fragen nicht, die ihnen gestellt wurden. In einer Medienkonferenz vor der Abreise sagten die Mitglieder der Delegation, sie seien besorgter nach der Reise, als sie es davor gewesen seien.

FBI, Europol und BKA ermitteln mit

Der Anschlag, der weltweit Empörung ausgelöst hatte, hatte auch zu Ermittlungen von Europol und dem FBI geführt, die maltesische Regierung hatte dies ausdrücklich zugelassen. Nun hat sich auch das deutsche Bundeskriminalamt eingeschaltet.

Eine kleine Abordnung aus Malta passierte am frühen Mittwochvormittag die Eingangsschleusen des BKA in Wiesbaden - ein maltesischer Polizeibeamter und jemand, der dem BKA als "Gerichtsexperte" gemeldet wurde. Ihr Besuch wird für Schlagzeilen sorgen auf der kleinen Mittelmeerinsel, denn die beiden hatten sich, in geheimer Mission, auf den Weg nach Deutschland gemacht, um endlich Aufklärung in eine Affäre zu bringen, die Malta seit April 2016 in Aufruhr hält.

Damals hatten die Panama Papers aufgedeckt, dass ranghohe Regierungsmitglieder seltsame Geschäfte mit Briefkastenfirmen abgewickelt hatten, es ging um mögliche Kickbacks und andere Geschäfte, es folgten Demonstrationen, weitere Enthüllungen, schließlich Neuwahlen. Aber die maltesischen Behörden sahen sich nicht in der Lage, möglichen kriminellen Verhaltensweisen nachzugehen, auch weil ihnen die Originaldokumente aus den Panama Papers nicht vorlagen.

Das hat sich nun offenbar geändert. Denn die beiden Besucher aus Malta waren, auf deutsche Initiative, zu Gast bei jener BKA-Sondereinheit, die seit etlichen Monaten einen Datensatz auswertet, den das BKA aus ungenannter Quelle angekauft hat - und der offenbar ähnlich oder identisch mit dem Panama Papers-Datensatz ist, den internen Daten der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca, die zuvor der Süddeutschen Zeitung zugespielt worden waren. In der BKA-Einheit - Fachterminus: Besondere Aufbaukommission - gehen sieben Steuerfahnder und 25 BKA-Beamte möglichen Spuren zu Geldwäsche und Betrug nach, der Name der Einheit lautet "Olet" - Lateinisch für "etwas stinkt".

Nun liegt der Ball bei den maltesischen Behörden

Die deutschen Beamten erklärten ihren Gästen die Daten und den Umgang damit, und offenbar ließen sie die Malteser nach zwei bis drei Stunden gemeinsamer Besprechung nicht mit leeren Händen nach Hause gehen. Rund 800 Dateien bekamen die beiden Abgesandten nach Informationen von SZ, NDR und WDR mit, offenbar die maßgeblichen Informationen, die sich in den Panama-Daten des BKA zu den prominenten Fällen der einheimischen Politiker finden ließen.

Damit liegt der Ball jetzt bei den maltesischen Behörden. Vonseiten des BKA hieß es außerdem, die "Polizei- und Justizbehörden aus Malta und Deutschland" hätten außerdem "eine weitere Zusammenarbeit vereinbart".

All das geschieht vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse: Die Welt und speziell die Europäische Union schaut anders auf die Insel seit dem Mord an Daphne Caruana Galizia, die ja unter anderem auch zu den Panama Papers recherchiert hatte. Warum sie ermordet wurde, ist bislang vollkommen unklar. Die zehn Verdächtigen müssen nun innerhalb von 48 Stunden befragt werden. Aber der Schock darüber, dass in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union eine unliebsame Journalistin in die Luft gesprengt wurde, sitzt tief.

Ob die Beute des maltesischen Besuchs die Panama-Papers-Fälle wirklich aufklären kann, ist allerdings fraglich. Nach SZ-Recherchen lassen sich die Vorwürfe aus den Daten allein nicht erhärten, etwa die Hinweise auf mögliche Geschäfte der Ministerpräsidenten-Gattin. Sehr wohl finden sich in den Panama Papers aber Ansatzpunkte, denen die maltesische Polizei nun folgen kann.

Malta ist nicht das einzige Land, das nun auf einen Teil der angekauften Daten Zugriff hat. Das BKA bestätigt, dass es inzwischen Ermittlungsersuchen von Behörden aus zehn Ländern gab, entweder von Polizeidienststellen oder aber von Finanzverwaltungen aus Brasilien, Finnland, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Liechtenstein, Niederlande, Panama und Spanien. Ein Teil sei bereits bearbeitet, darunter Anfragen Islands, Hollands und Englands.

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