Süddeutsche Zeitung

Juan Carlos I.:Exit aus dem Exil?

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Die spanische Justiz stellt alle Ermittlungen gegen den früheren König Juan Carlos ein. Nun könnte er nach Spanien zurückkehren - ein Paria aber dürfte er bleiben.

Von Kerstin Lottritz

Auf dem Foto sieht er aus wie ein ganz normaler 84 Jahre alter Mann. Blaue Hose, weißes Hemd, darüber eine beigefarbene Weste, ein unter europäischen Rentnern ja recht beliebtes Kleidungsstück. Die Figur wirkt deutlich schlanker als noch vor zwei Jahren, der Blick ist entspannt, aber leicht entrückt, das hohe Alter ist dem früheren spanischen König Juan Carlos I. anzusehen. Der spanische Journalist Carlos Herrera hat das Foto vor vier Wochen auf seinem Instagram-Kanal veröffentlicht, gemacht hat er es bei einem Besuch in Abu Dhabi, wo Juan Carlos seit 19 Monaten im Exil lebt. Der König sei in sehr guter körperlicher Verfassung, auch geistig, schrieb er dazu. Und das ist dann schon mehr, als das spanische Königshaus in den vergangenen 19 Monaten über seinen früheren König mitzuteilen hatte.

Viele Spanier hatten erwartet, dass der 1938 im römischen Exil geborene Juan Carlos auch im Exil sterben könnte. Anfang August 2020 war Juan Carlos heimlich nach Abu Dhabi ausgereist oder vielmehr geflüchtet, nachdem der Oberste Gerichtshof Spaniens ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet hatte, in dem es um Korruptionsvorwürfe, Geldwäsche und Steuerbetrug ging. Wie es ihm seitdem ergeht in der Sonne des knapp 7500 Kilometer entfernten Abu Dhabi, darüber schwieg das spanische Königshaus.

Jetzt könnte der Altkönig bald aber doch noch mal in seine Heimat zurückkehren - die spanische Staatsanwaltschaft hat alle Ermittlungen gegen ihn eingestellt. In deren Mittelpunkt stand seit 2018 die sogenannte "Affäre um den Wüstenzug". Im Jahr 2008 soll Juan Carlos von Saudi-Arabiens damaligem König Abdullah Schmiergeld in Höhe von 100 Millionen US-Dollar kassiert haben. Die von mehreren spanischen Firmen gebaute Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Mekka und Medina wurde im Oktober 2018 eingeweiht. Das Geld soll Juan Carlos auf einem Konto in der Schweiz vor der spanischen Steuer und seiner Familie versteckt haben. Die Ermittlungen hätten ihn ins Gefängnis bringen können.

Affäre, Korruption, dubiose Deals

Erste Risse hatte Juan Carlos' Ansehen schon im Jahr 2012 bekommen, als mitten in der Wirtschaftskrise, die Spanien arg gebeutelt hat, ein Foto auftauchte, das den König bei einer Safari in Botswana zeigte. Die Spanier empörten sich nicht nur darüber, dass er einen Elefanten mit einem Gewehr erlegt hatte. Nach einem Unfall, bei dem er sich das Hüftgelenk gebrochen hatte, kamen auch Fragen zu seiner Begleitung auf: Corinna zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, als "innige Freundin" des Monarchen bezeichnet, und ihr Sohn aus erster Ehe.

Seine Geliebte soll in der Affäre um den Wüstenzug eine entscheidende Rolle gespielt haben: Sie vermittelte den Kontakt zwischen den beiden Königen, war über undurchsichtige Offshore-Konstrukte an den Finanztransaktionen von Juan Carlos beteiligt und soll einen großen Teil des mutmaßlichen Schmiergeldes aus Saudi-Arabien bekommen haben, 65 Millionen Euro. Ihr Anwalt sprach von einem "unaufgeforderten Geschenk", mit dem sich der König für den Beistand während einer Krankheit habe bedanken wollen. Spanischen Medienberichten zufolge habe der König geplant, sich von seiner Frau Sofía scheiden zu lassen, um Sayn-Wittgenstein-Sayn zu heiraten. Das Geld war wohl auch für ein gemeinsames neues Leben gedacht. 2014 dankte Juan Carlos als König ab. Die Beziehung zwischen dem Altkönig und seiner Geliebten ist längst in die Brüche gegangen, das Geld hat sie nicht zurückgegeben, dafür hat Juan Carlos mittlerweile fünf Millionen Euro Steuern an den spanischen Fiskus nachgezahlt.

Ist Juan Carlos nun also mit den eingestellten Ermittlungen des Gerichtshofs von allen Vorwürfen befreit? Nicht ganz. Die Justiz habe zahlreiche "Unregelmäßigkeiten" im Finanzgebaren des Ex-Königs festgestellt, bringe diese aber wegen der Verjährung oder der Immunität des früheren Monarchen bis zu seiner Abdankung 2014 sowie wegen Steuernachzahlungen nicht zur Anklage, schreibt die Zeitung El País. Juan Carlos entkommt damit einer Haftstrafe.

Das einzige juristische Verfahren, das ihm jetzt noch droht, ist ein Zivilprozess in London. Seine frühere Geliebte wirft dem Altkönig Belästigung vor, unter anderem habe er sie beschattet und verleumdet. Dafür verlangt sie Schadenersatz und ein Kontaktverbot, dem zufolge der frühere Monarch sich ihr nicht mehr als 150 Meter nähern dürfe.

Kaum noch vorstellbar ist heute, dass Juan Carlos in Spanien einst als großes moralisches Vorbild galt. Der damalige Diktator Franco hatte ihn als Zehnjährigen aus dem Exil in Rom zurückholen lassen, um ihn als seinen Nachfolger ausbilden zu lassen. Doch es kam anders: 1981 stellte sich Juan Carlos gegen die faschistischen Putschisten - und rettete Spanien damit die Demokratie.

Die Skandale der vergangenen Jahre allerdings werfen einen ziemlich dunklen Schatten auf sein Erbe. Die Spanier haben das Vertrauen verloren ins Königshaus, das lange für Einigkeit und Stabilität stand. Auch seine Familie dürfte ihn nicht gerade begeistert empfangen, sollte der frühere König tatsächlich nach Spanien zurückkehren wollen. Sein Sohn, König Felipe, hat sich quasi selbst enterbt, seine Ehefrau, Königin Sofía, lebt Medienberichten zufolge seit der Abdankung 2014 von ihrem Mann getrennt.

Vielleicht hat er es deswegen also auch gar nicht so eilig, in seine Heimat zur reisen. Sein Rechtsanwalt Javier Sánchez-Junco jedenfalls sagte, die Einstellung der Ermittlungen werde bis zur kommenden Woche eingehend geprüft, dann würde er gegebenenfalls eine mögliche Entscheidung seines Mandanten mitteilen. Von Juan Carlos selbst gab es noch keine Reaktion. Er bleibt weiter still. So wie die vergangenen 19 Monate.

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