Ex-Flipper-Trainer Ric O'Barry:Der Delphinflüsterer

Ric O'Barry dressierte einst Tümmler für die Fernsehserie "Flipper", heute kämpft er für die Freiheit der Tiere. Seine Geschichte erzählt er in einem Dokumentarfilm, der nun in die deutschen Kinos kommt.

Marten Rolff

Wenn ein Mensch sich im Lauf seines Lebens sehr verändert, wenn er von einem Extrem ins andere kippt, dann fragen die Leute nach dem Auslöser dafür. Da muss doch ein Schlüsselerlebnis gewesen sein, ein Erweckungsmoment. Auch Ric O'Barry wird diese Frage immer gestellt.

Er scheint dann wirklich zu überlegen; so als wollte er ganz sicher gehen mit seiner Behauptung, dass es den alles entscheidenden Augenblick bei ihm nie gegeben habe. Nur um dann, in einer dramaturgischen Kehrtwende, gleich zwei Geschichten zu erzählen, die ihre Wirkung noch nie verfehlt haben dürften.

Die erste stammt aus den sechziger Jahren, aus der Zeit, als Ric O'Barry die fünf Tümmler trainierte, die abwechselnd den Fernseh-Delphin Flipper verkörperten. O'Barry lebte damals in Florida; in dem Pavillon am Atlantik, der im Film das Haus der Flipper-Freunde Sandy und Bud Ricks war. Und jeden Freitag, wenn Flipper ausgestrahlt wurde, legte der Trainer ein Verlängerungskabel zur Bucht und schleppte den Fernseher ans Ufer, damit die Tümmler sich auf dem Bildschirm sehen konnten. "Damals wurde mir klar, dass sie sich tatsächlich wiedererkannten", erzählt der 70-Jährige.

Die zweite Geschichte handelt vom Selbstmord des Delphinweibchens Kathy, das Anfang der Siebziger in den Armen O'Barrys starb. Sie war die Gelehrigste unter den Flipper-Darstellern, und O'Barry ist bis heute überzeugt, dass Kathy einfach beschlossen hatte zu sterben, weil sie die Gefangenschaft nicht mehr ertrug. Das, so sagt er, "hat mir damals das Herz gebrochen."

Quälshows in Riesenaquarien

Beide Begebenheiten bilden das klug kalkulierte Koordinatensystem für die Erklärung, wie aus dem bekanntesten Delphintrainer der Welt der bekannteste Delphinschützer der Welt wurde. Und diese Geschichte erzählt O'Barrys Dokumentarfilm "Die Bucht", der Ende Oktober in die deutschen Kinos kommt.

Ein Film, der vom Kampf des Menschen gegen den angeblich beliebtesten Meeresbewohner handelt, von Quälshows in Riesenaquarien, vom langsamen Tod als Beifang in billigen Netzen und vom Massenschlachten durch japanische Fischer. Ein Film, der eine enorme Wirkung entfacht hat, obwohl er in vielen Ländern noch gar nicht angelaufen ist, und den Ric O'Barry selbst als die einzig legitime Fortsetzung von Flipper versteht. Und als Akt der Reue.

Die Serie hatte eine weltweite Delphinhysterie ausgelöst, und er selbst hatte die Tiere vor der Küste Floridas gefangen und trainiert. Das Kino war den Delphinen diese Dokumentation also schuldig, findet O'Barry. Weil die Geschichte vom Delphin als dauerlächelndem Freund des Menschen eine gefährliche Lüge und die Massengefangenschaft in den Delphinarien von Seaworld bis Hagenbecks Tierpark ohne Flipper nicht denkbar sei.

Ric O'Barry erzählt das alles am Telefon, mit derselben ruhigen, ja fast gleichförmigen Beharrlichkeitin der Stimme, mit der er all die Aufregung um ihn herum ausgelöst hat. Er ist gerade in Japan, in Taiji. Und der September war ein guter Monat. Zum ersten Mal, so sagt der Amerikaner, könne er sich hier bewegen, ohne das Gefühl zu haben, beschattet zu werden. Zum ersten Mal sei er nicht von der Polizei verhört und von pöbelnden Fischern bedroht worden. Und zum ersten Mal seit Jahrzehnten habe das Massenschlachten von Taiji nicht stattgefunden.

In der südjapanischen Walfangstadt ist der größte Teil der Dokumentation gedreht worden. Jedes Jahr im September treiben Taijis Fischer Tausende Tümmler in eine versteckte Bucht. Prächtige Exemplare werden ausgesondert und für bis zu 150.000 Dollar an Delphinarien verkauft. Die übrigen Tiere werden - abgeschirmt von Sichtschutzbarrieren - harpuniert. Ihr mit Quecksilber belastetes und selbst in Japan wenig beliebtes Fleisch wird später gern als Walfleisch umdeklariert.

Skandal in Japan

Ric O'Barry war der Erste, der diese Massentötung dokumentiert hat. Im Film sieht man, wie sich die Fischer in einen regelrechten Blutrausch stechen, bei dem sich das Wasser der Bucht rot färbt. Doch dem 70-Jährigen ging es nicht allein um grausam-spektakuläre Bilder, die eine hartnäckige Tierschutzorganisation vielleicht auch hätte zeigen können.

O'Barry ließ alte Verbindungen spielen und suchte sich Produzenten, Regie- und Drehbuchspezialisten, um die Geschichte einer Läuterung zu inszenieren - seiner Läuterung. Die Macher drehten einen "Doku-Thriller", bei dem man sich nach eigener Aussage an Soderberghs "Ocean's Eleven" orientierte: Bei ihrem heimlichen Coup von Taiji setzen die Delphinschützer Nachtsichtgeräte, Apnoetaucher und in Kunstfelsen montierte Kameras ein.

Und die Verfolgung durch japanische Offizielle wirkt im Film nicht grundlos ein wenig bedrohlicher, als sie in Wirklichkeit gewesen sein dürfte. Später warf O'Barry dann eine PR-Maschine an, die sich der Unterstützung durch zahlreiche Tierschutzorganisationen sowie der moralischen Entrüstung des Publikums sicher sein durfte. Flippers späte Rache soll bereits für eine Oscar-Nominierung im Gespräch sein.

In Japan löste "Die Bucht" zumindest einen kleinen Skandal aus. Dass der sich nicht mehr vertuschen ließ, wurde klar, als die australische Stadt Broome kürzlich Taiji empört die Partnerschaft kündigte. O'Barry durfte den Film in Tokio zeigen und ist optimistisch, einen Verleih zu finden.

Er sei zufrieden, sagt der Amerikaner, und stehe doch am Anfang. Weil der Kampf gegen "Seaworld" und das Hundert-Millionen-Dollar-Geschäft mit den Delphinen weitergehe. Sie haben ihn verhaftet, als er Delphine in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus Aquarien befreite. Sie haben verhindert, dass er auf Forschersymposien sprach. An seinem Film werden sie nun wohl kaum vorbei kommen.

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