Eurobarometer:Ist eine Frau selbst schuld, wenn sie vergewaltigt wird?

Ja, wenn sie zu sexy angezogen ist, finden zehn Prozent der EU-Bürger. Eine Umfrage der Kommission liefert noch mehr verstörende Antworten.

Von Ulrike Heidenreich

Ist eine Frau selbst schuld, wenn sie sich zu sexy anzieht und dann vergewaltigt wird? So unfassbar es ist, dass diese Frage im Jahr 2016 noch formuliert werden muss, so verstörend ist die Antwort: Zehn Prozent der Menschen, die sich dazu im Rahmen einer Eurobarometer-Umfrage äußerten, sind der Meinung, in diesem Fall sei eine Vergewaltigung "justifiable", also gerechtfertigt.

Die Europäische Kommission gibt in regelmäßigen Abständen diese öffentliche, repräsentative Meinungsumfrage in den Ländern der EU in Auftrag. Ausgelotet wird hierbei die Meinungsentwicklung unter der europäischen Bevölkerung. Zum internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen an diesem Freitag nun stehen weltweit Aktionen an, die das Bewusstsein schärfen sollen.

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SZ-Grafik; Quelle: EU-Kommission

In Deutschland hatte erst diese Woche eine Statistik des Bundeskriminalamtes für Entsetzen gesorgt, wonach gut 100 000 Frauen im vergangenen Jahr Gewalt in der Partnerschaft erleben mussten - von Körperverletzung über Stalking bis zu Mord. Eine neue Onlineplattform (www.frauen-raus-aus-der-gewalt.de) stellt nun die acht wichtigsten Einrichtungen und Institutionen vor, bei denen Frauen Beratung und Schutz finden.

Statistisch gesehen kommt auf eine von 20 Frauen eine Vergewaltigung

Laut der Eurobarometer-Umfrage, die EU-Gleichstellungskommissarin Věra Jourová am Donnerstag vorstellte, gaben 74 Prozent der Befragten an, zu wissen, dass Gewalt gegen Frauen verbreitet sei. Jeder Vierte kennt ein Opfer im eigenen Umfeld. In Europa gibt über die Hälfte der Frauen (55 Prozent) an, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein. Drei von vier Frauen, die im Top-Management arbeiten, sagten dies auch. Statistisch kommt auf eine von 20 Frauen eine Vergewaltigung.

"Wir haben ein Problem in Europa. Frauen und Kinder zahlen den höchsten Preis bei Gewalt", sagt Kommissarin Jourová. Sie hat in der EU-Kommission alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das Jahr 2017 zum Jahr gegen Gewalt gegen Frauen zu erklären - mittels konkreter Maßnahmen: etwa der Schaffung neuer Häuser, in denen Frauen Zuflucht finden können. Hier sollten die Mitgliedsstaaten stärker Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung nutzen, fordert sie. Gewalt gegen Frauen kostet laut Jourová auch viel Geld: 226 Milliarden Euro fallen an - enthalten sind Gesundheits- und Rechtskosten sowie die fehlende Wirtschaftskraft verprügelter Frauen.

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