Esterházy vs. Ottrubay:Österreichischer Adelsstreit mit Tradition

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Schöne Fassade mit interessantem Innenleben: Das Schloss der millionenschweren Familie Esterházy im burgenländischen Eisenstadt. (Foto: Robert Jaeger/AFP)

Im Burgenland verschwindet eine Seniorin - angeblich entführt. Dann taucht sie in Tirol auf. Über das neue Kapitel eines seit Jahren tobenden Erbstreits der Adelsfamilie Esterházy.

Von Peter Münch, Wien

Begonnen hat es wie ein Kriminalfall, mit Großeinsatz der Polizei und internationalem Fahndungsalarm. Eine alte Dame war verschwunden im Burgenland, mutmaßlich entführt - doch selbst, als die Seniorin schon nach wenigen Stunden wohlbehalten wieder auftauchte, hat sich der Sturm nicht gelegt. Denn der Vorfall führt tief hinein in einen filmreifen Familienzwist, in dem es um sehr viel Geschichte und sehr viel Geld geht. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei das altehrwürdige Adelsgeschlecht Esterházy.

Der erste Akt des Schauspiels wurde am Dienstag voriger Woche in Eisenstadt gegeben, natürlich in der Esterházy-Straße. Die 88-jährige Magdolna Ottrubay ging dort mit ihrer Pflegerin spazieren, als zwei schwarze Limousinen mit Münchner Kennzeichen hielten. Den verbreiteten Schilderungen zufolge wurde die Pflegerin beiseite gestoßen, die Autos brausten mit der alten Dame davon. Die Aufregung war groß.

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Denn Magdolna Ottrubay ist die Mutter von Stefan Ottrubay, der seit dem Jahr 2000 das Esterházy-Familienvermögen im Burgenland verwaltet. Es wird auf rund 800 Millionen Euro, bisweilen auch auf über eine Milliarde geschätzt, es geht um Schlösser und Burgen, Kunstschätze und Ferienanlagen, 40 000 Hektar Grund und obendrein mehr als ein Drittel der Fläche des Neusiedler Sees. Doch statt der befürchteten Entführung zwecks Lösegeld-Erpressung stellte sich heraus, dass Magdolna Ottrubay lediglich von ihrer Tochter abgeholt worden war, um künftig wieder mit ihr in der Schweiz zu leben. So berichteten es jedenfalls Mutter und Tochter in Tirol, wo sie offenbar aufgeschreckt durch die Radionachrichten über die Fahndung einen Zwischenstopp und eine Polizeiaussage machten.

Ein Sprecher von Stefan Ottrubay erklärte das Ganze daraufhin zur "privaten Sache", und damit hätte der Fall erledigt sein können - wenn sich nicht Paul-Anton Esterházy mit einer Erklärung zu Wort gemeldet hätte. "Als Sprecher der fürstlichen Familie Esterházy" stellt er vordergründig fest, dass "dieser von den Behörden zu überprüfende Fall mit der Familie Esterházy NICHTS zu tun hat". Man solle also bitte schön zwischen den Ottrubays und den Esterházys unterscheiden. Hintergründiger merkte er dann noch an: "Wir pflegen gänzlich andere Umgangsformen - besonders mit betagten Damen, die wir gerne in den großen Familienverband integrieren."

Damit war das Tor sperrangelweit geöffnet für die Neuauflage eines seit vielen Jahren tobenden Erbstreits, bei dem, pauschal gesagt, Stefan Ottrubay von der Familie Esterházy vorgeworfen wird, sie ausgebootet zu haben. Wer das aufrollen will, muss zurückgehen zu Paul V. Esterházy, der 1989 kinderlos in der Schweiz verstarb und sein Vermögen der Witwe Melinda vererbte, einer früheren Balletttänzerin und geborenen Ottrubay. Sie überführte das Erbe in drei Privatstiftungen, deren Geschäftsführung sie in die Hände ihres Neffen Stefan Ottrubay legte. Schon Jahre bevor Melinda Esterházy 2014 hochbetagt verstarb, warfen verschiedene Mitglieder der weit verzweigten Esterházy-Familie Ottrubay vor, die Tante vor ihnen abzuschirmen und dafür gesorgt zu haben, dass ihnen die Mitsprache in den Stiftungen und die Apanagen genommen wurden.

Streit soll nun "konsensual" gelöst werden

Nun lässt Paul-Anton Esterházy über die Kronen Zeitung wissen, dass die jüngsten Vorfälle für ihn "nicht besonders verwunderlich" seien, sondern "beinahe ein Déjà-vu-Erlebnis". Schließlich sei es "doch bezeichnend, dass meine Großtante Melinda unweit von dieser jetzigen Abholung auch in diesem kleinen Häuschen auf dem Grundstück der Familie Ottrubay über Jahre, sagen wir, gelebt hat." Da schwingt zumindest mit, dass sie dies nicht ganz freiwillig getan haben könnte.

All das ist nun also wieder aufs Tapet gekommen, und Stefan Ottrubay hat daran gewiss kein Interesse. Nach dem ganzen Wirbel ist er um Schadensbegrenzung bemüht. In einer ORF-Sendung, die am Montagabend ausgestrahlt wurde, räumt er ein, dass die durch den Entführungsverdacht ausgelöste Großfahndung nach seiner Mutter ihm "natürlich leid" täte, weil dadurch "beträchtliche Steuergelder eingesetzt" worden seien. Sein Sprecher Josef Kalina sagte der SZ, dass es innerhalb der Familie "Diskussionen mit unterschiedlichen Ansichten" darüber gegeben habe, wo die Mutter leben soll. Doch es gebe "den Wunsch aller Beteiligten, das jetzt konsensual zu lösen."

© SZ vom 29.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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