Essen:Wohnkomplex in Flammen - Feuerwehr im Großeinsatz

Am frühen Morgen gerät in Essen ein großer Wohnkomplex in Brand, Sturmböen fachen das Feuer zusätzlich an. Ein Anwohner schildert eine dramatische Rettungsaktion.

Im Westviertel in Essen ist in der Nacht ein kompletter Wohnkomplex in Brand geraten. Die Windböen von Sturm Antonia fachten den Brand zusätzlich an, sodass das Gebäude binnen kürzester Zeit ausbrannte. Am Morgen schlugen immer noch Flammen aus dem L-förmigen Gebäudekomplex. Ums Leben kam offenbar niemand. Das sei "bei diesem Feuer von diesem Ausmaß nicht selbstverständlich", sagte Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). Bisher gebe es nur drei Menschen mit einer Rauchvergiftung - "dank des Einsatzes der Nachbarinnen und Nachbarn, aber auch der Einsatzkräfte unserer Feuerwehren und des Rettungsdienstes". Darauf sei er sehr stolz.

Aus dem ausgebrannten Wohnhaus und aus umliegenden Gebäuden wurden etwa 180 Bewohnerinnen und Bewohner in einem benachbarten Hörsaalzentrum untergebracht. Dazu gehörten Kinder, Ältere, Menschen im Rollstuhl, "der komplette Altersquerschnitt", sagte der zuständige Abschnittsleiter Betreuung, Sebastian Smitmans, von den Maltesern. Die Menschen "seien gefasst" und ruhig. Notfallseelsorger würden Gespräche anbieten.

128 Menschen haben ihre Wohnung und viele von ihnen ihr Hab und Gut verloren. Die Mehrzahl der Betroffenen habe sich am Montag selbst eine vorübergehende Bleibe organisiert, 27 Menschen müssten für einen längeren Zeitraum untergebracht werden, teilte die Stadt Essen mit. 35 Wohnungen sind bei dem Feuer komplett ausgebrannt, weitere durch massive Rauchentwicklung oder Löschwasser betroffen.

Die Feuerwehr war mit 150 Einsatzkräften vor Ort. Ein Ende der Löscharbeiten sei noch nicht abzusehen, sagte der Sprecher am Morgen. Das liege auch daran, dass der Komplex einsturzgefährdet ist. Zwei Drittel des Gebäudes könne die Feuerwehr aus Sicherheitsgründen noch nicht betreten. "Das kann im Inneren immer wieder aufflammen und noch Tage dauern", sagte der Sprecher.

Die Ursache für den Brand ist noch nicht geklärt. Man werde so schnell wie möglich Ermittlungen dazu aufnehmen, sagte eine Polizeisprecherin. Klar ist, dass das Feuer sich von einem Balkon ausgebreitet hat. Wie die Feuerwehr am Montag mitteilte, habe das in der Nacht wütende Sturmtief Antonia offensichtlich dafür gesorgt, dass sich das Feuer dann rasend schnell über die im Wind liegende Fassade und Balkone ausdehnte.

Der zerstörte Wohnkomplex, berichtet die dpa, war ein Neubau von 2015, der gemäß den Bauvorschriften mit Brandschutztüren gegen eine schnelle Verbreitung eines Feuers ausgestattet war. Die Brandschutztüren seien zuletzt im März 2021 gewartet worden, sagte ein Sprecher des Hauseigentümers Vivawest Wohnen GmbH. Die Feuerwehr hatte sich "sehr überrascht" über die massive Brandausbreitung gezeigt. So etwas habe man noch nie erlebt, sagte ein Sprecher. Normalerweise gebe es in modernen Gebäuden Brandsperren, so dass so etwas eigentlich nicht möglich sei.

Am Montagvormittag äußerte sich auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zu dem Brand, er bedankte sich auf Twitter bei den Einsatzkräften. "Die Nachrichten aus Essen sind erschütternd", schrieb er. "Viele Menschen haben über Nacht ihre Wohnung, Hab und Gut verloren."

Der 35 Jahre alte Lennart Diedrich war als direkter Anwohner einer der ersten Augenzeugen des Feuers. "So um zwei Uhr war's, als ich ins Bett gehen wollte und die letzten Lichter ausgemacht habe und draußen 'Feuer! Feuer!' geschrien wurde", berichtet Diedrich der Deutschen Presse-Agentur. "Und dann hab ich aus dem Fenster geschaut, und da kam dort, wo die Jalousien auf halbmast hängen, Rauch raus. Da hab ich gesagt: Okay, das ist ernster."

Essen: "Es glich einem Inferno". Feuerwehrmänner vor dem in Flammen stehenden Wohnkomplex.

"Es glich einem Inferno". Feuerwehrmänner vor dem in Flammen stehenden Wohnkomplex.

(Foto: Stephan Witte/dpa)

Er habe versucht, die Feuerwehr zu rufen, sich angezogen und sei rausgerannt. "Dann kamen schon von der ganzen anderen Gebäudeseite Flammen hochgelodert. Es glich einem Inferno. Der Wind peitschte die Flammen an - Funken." Kurz darauf traf der erste Feuerwehrwagen ein. Die Feuerwehrleute liefen ins Haus und riefen dann: "Wir brauchen mal Hilfe!" Diedrich folgte dem Aufruf zusammen mit zwei anderen Personen.

"Dann sind wir hochgelaufen in dem Treppenhaus, zu dritt. Und da war ein Rollstuhlfahrer, der den Fahrstuhl natürlich nicht mehr benutzen konnte und nicht runtergekommen ist. Da haben wir den zu dritt runtergetragen. Zwei hinten, ich hab vorne angepackt, haben ihn runtergetragen. Dann kam die Polizei, und es wurde alles evakuiert."

Es sei dann unheimlich schnell gegangen. "Innerhalb von 20 Minuten stand das ganze Haus komplett in Flammen. Man hat das Gefühl, das ist ein Feuer-Inferno, in dem man sich hier befindet."

Aufgrund der Löscharbeiten kam es zu Behinderungen im Berufsverkehr. Die Segerothstraße und die Friedrich-Ebert-Straße im Essener Westviertel waren nach Feuerwehr-Angaben voll gesperrt. Das Westviertel grenzt unmittelbar westlich an den Essener Stadtkern an. Erst kürzlich hatte die WAZ über eine Serie von Bränden in der Stadt berichtet. Dreimal habe es innerhalb einer Woche im Eltingviertel nördlich des Stadtkerns gebrannt.

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