Erzbischof von Berlin:Seelsorger, der auch mit Zweiflern und Atheisten kann

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Wer in Berlin Bischof wird, empfiehlt sich meist für höhere Aufgaben: Heiner Koch, bisher in Dresden tätig, wird das Hauptstadtbistum künftig führen. (Foto: imago stock&people)

Heiner Koch wird neuer Erzbischof in Berlin. Das zeigt die Personalsorgen der katholischen Kirche.

Von Matthias Drobinski

Die Einladung klingt geheimnisvoll: Das katholische Erzbistum Berlin hat an diesem Montag um zwölf Uhr die Gläubigen in die Hedwigs-Kathedrale eingeladen, "der Anlass ist ein freudiger!", hieß es auf der Homepage des Erzbistums. Zum Angelusläuten soll in Rom wie in Berlin bekannt gegeben werden, wer neuer Erzbischof des Hauptstadtbistums wird. Das ist mit 400 000 Katholiken eher klein, doch bedeutend: Wer hier Bischof wird, den beobachten Politiker und Medien genau. Der wird in der Regel Kardinal und empfiehlt sich oft für weitere Aufgaben. Rainer Maria Woelki, der 2011 an die Spree kam, ist jetzt Chef des Erzbistums Köln, des größten und reichsten Bistums in Deutschland.

Eigentlich sollte bis zum Glockenschlag am Mittag der Name des Mannes geheim bleiben, den das Domkapitel aus einer vom Papst vorgelegten Dreierliste gewählt hat. Es hat aber einer geplaudert: Heiner Koch wird es also sein, der bisherige Bischof von Dresden-Meißen.

Koch, der am 13. Juni 61 Jahre alt wird, ist im Erzbistum Köln des konservativen Kardinals Joachim Meisner groß geworden. In Rom schätzt man ihn, seit er 2005 für Papst Benedikt XVI. den Weltjugendtag in Köln vorbereitete; Koch stieg zum Kölner Weihbischof auf. Im Januar 2013 wurde er Bischof in Dresden, wo die Katholiken eine Fünf-Prozent-Minderheit sind.

Viele sagen mittlerweile ab, wenn sie gefragt werden, ob sie Bischof werden wollen

Dort hat er nach allgemeiner Auffassung seine Sache gut gemacht. Er gilt als beliebter Seelsorger, der auch mit Zweiflern und Atheisten reden kann. Als Familienbischof vertritt er die Positionen seiner Kirche, ohne als Fundi aufzutreten, er gehört zur Delegation der deutschen Bischöfe, die im Herbst nach Rom zur Familiensynode reist. Trotzdem ist die Entscheidung des Papstes strittig. Sie zeigt, wie schwer sich die Kirche tut, Spitzenpersonal zu finden und zu fördern.

Dass der ehemalige Hochschulpfarrer Koch ein integrer, nachdenklicher Mann ist, bezweifelt niemand - wohl aber, dass er den politischen Diskurs in Berlin so führen kann, dass die katholische Kirche dort Impulse setzt. Bislang hat er nur wenig zu aktuellen Fragen gesagt. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hätte deswegen lieber den Augsburger Weihbischof Anton Losinger in Berlin gesehen, der im Nationalen Ethikrat sitzt und sich in der Wissenschaftsszene gut auskennt. Politische Talente wie Karl Jüsten, der Leiter des katholischen Büros, oder Hans Langendörfer, der Sekretär der Bischofskonferenz, blieben unberücksichtigt, wie auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. "Man hat den Eindruck, dass man in Rom keine Idee hat, wie man mit einem so wichtigen Bistum wie Berlin umgehen soll", sagt ein Insider.

Vor allem aber in Dresden reißt Kochs Wechsel eine Lücke. Viele Kandidaten sagen mittlerweile ab, wenn sie gefragt werden, ob sie Bischof werden wollen, als zu undankbar erscheint die Aufgabe. "So entsteht der große katholische Verschiebebahnhof", sagt einer, "immer ist irgendwo ein Loch." Andererseits: Auch Kardinal Woelki trauten viele wenig zu, als er 2011 nach Berlin kam - und er erwarb sich Respekt. Warum nicht auch Koch? Der hat am Fronleichnamstag selbst zugegeben, dass er der Erwählte ist: "Eigentlich unterliege ich ja der päpstlichen Schweigepflicht," hat er gesagt, "aber es ist ja nun mal raus.

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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