Gerüttelt wird da an Grundfesten nicht mehr, man kommt ihnen eher mit dem Vorschlaghammer. Als würde Kanzlerin Merkel die Demokratie zu einer minderwertigen Staatsform erklären. Als würde die Queen die Sinnhaftigkeit des Fünf-Uhr-Tees in Frage stellen. Oder Flughafenchef Hartmut Mehdorn öffentlich erklären, dass der Hauptstadtflughafen BER mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu unser aller Lebzeiten seinen Betrieb nicht mehr aufnehmen wird.
Nun also hat der Erzbischof von Canterbury, immerhin so etwas wie das geistliche Oberhaupt der Kirche von England (Primate of All England) und das Ehrenoberhaupt der anglikanischen Kirche weltweit, ernsthafte Zweifel an der Existenz Gottes angemeldet. Aufgedrängt haben sie sich ihm offenbar in einem Moment der Kontemplation über das derzeitige Weltgeschehen. Beim Joggen mit seinem Hund.
Was ein Erzbischof nicht sagen sollte
In einem Interview in der Kathedrale von Bristol bekannte Justin Welby: "Neulich habe ich beim Joggen gebetet, bis ich schließlich in Gedanken zu Gott sagte: Das ist ja alles schön und gut, aber wäre es nicht an der Zeit, dass du etwas unternimmst - wenn du denn da bist." Was vermutlich nicht das sei, was der Erzbischof von Canterbury sagen sollte.
Es gebe Momente, erklärte Welby, in denen man denke: "Gibt es einen Gott? Wo ist Gott?" Oft sei er mit seinem Latein am Ende, räumte der Primas ein: "Wir können nicht alle Fragen der Welt erklären, wir können das Leiden nicht erklären." Und was, um Gottes willen, sagt es über den Zustand der Welt aus, wenn er selbst einen Erzbischof an der Theodizee scheitern lässt?
Weil Welby die meisten der Fragen nach dem Leid und vielen anderen Dingen auf der Welt nicht beantworten könne, spreche er von Jesus, dessen Existenz er sich sicher sei, sagte der 58-Jährige. Letztendlich gehe es aber nicht um diese Zweifel und Gefühle, sondern um den Fakt, dass Gott selbst gläubig sei - und das Außerordentliche am Christsein sei, "dass Gott glaubt, auch wenn wir es nicht tun".