Erzählung aus Damaskus:Aufstand der Kinder

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Rafik Schami erzählt von einer Jugend in Damaskus, in einer Zeit in der Diktatur und Internet immer stärker das Leben bestimmten. Im Mittelpunkt stehen zwei Freunde, Sami und Scharif, die noch aus Syrien fliehen konnten.

Von Roswitha budeus-Budde

Geschichten sind Zauberquellen, die nie versiegen", schreibt Rafik Schami in seinem neuen Jugendbuch "Sami und der Wunsch nach Freiheit", und erzählt wieder, wie oft in seinem großen Œuvre, vom Leben im alten Stadtviertel der Christen in Damaskus, in dem er selbst aufwuchs. Schon 1971, in seinem ersten Jugendroman, "Eine Hand voller Sterne", setzte er nach seiner Emigration den Menschen dort ein Denkmal.

Jetzt, viele Jahre später, erzählt der junge Flüchtling Scharif dem Dichter, der selbst nie wieder in seiner Heimat war, vom heutigen Leben in Damaskus. Es ist eine andere, sehr stark gefährdete Kindheit und Jugend, die Schami und sein Freund Sami in der Zeit der Diktatur erleben. Es beginnt mit der Geburt der beiden in armen christlichen Familien der Altstadt, deren Geschichten sich wie ein farbiger Teppich ausbreiten. Eine weitere Hauptperson ist der alte Postbote Elias, der nicht nur wunderbar Laute spielt, sondern weise und gerecht ihnen immer wieder in schwierigen Situationen mit seinen Erzählungen Rat gibt.

Rafik Schami: Sami und der Wunsch nach Freiheit. Beltz & Gelberg 2017. 326 Seiten, 17,95 Euro. (Foto: N/A)

In Sami entwickelt sich schon bald ein Gefühl für Gerechtigkeit, mit dem er zu Hause gegen den gewalttätigen Vater kämpft und in der Schule Schwierigkeiten bekommt. Denn diese Schule ist, wie inzwischen das ganze Land, eine Kaserne: "Wir trugen Uniformen, und ab der sechsten Klasse wurden wir militärisch gedrillt, und der Hass gegen Feinde des Vaterlands wurde geschürt - und das konnten durchaus Syrer sein, die einfach nur eine andere Meinung hatten als das Regime."

Immer mehr zeigen sich in dem bunten Erzählteppich die blutigen Spuren der Diktatur. Je älter die beiden Freunde werden - sie schaffen es, trotz fehlender Beziehungen die Oberschule zu besuchen und später auf die Universität zu gehen -, erfahren sie die brutale Politik des Diktators, der sich mit einem rigiden Spitzel- und Bestechungssystem und willkürlichen Verhaftungswellen an der Macht hält. Irrsinnige, brutale Aktionen, die die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen. Inzwischen sind die jungen Männer gewiefte Internetexperten. "Durch den Computer und das Internet öffnete sich eine Welt ohne Zensur", erzählt Scharif dem Autor und auch, welche Rolle dabei ihre Freundinnen spielen. Szenen, die Rafik Schami immer wieder dazu nutzt, über seine Achtung und Bewunderung der syrischen Frauen zu schreiben.

Als sich die politische Situation immer mehr zuspitzt, werden die jungen Männer und ihre Freunde Mitglieder eines geheimen Online-Blogs, der sich "die Seite der Revolution" nennt. Sie arbeiten im Untergrund gegen den Diktator und spüren immer mehr, wie es in der Bevölkerung gärt. Bis zum 16. Februar 2011, als mit dem Aufstand der Kinder von Daraa - denen Rafik Schami dieses Buch widmet - die syrische Revolution beginnt.

© SZ vom 13.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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