Süddeutsche Zeitung

Doppelgänger-Wettbewerb:Ist das euer Ernest?

Unter lauter Männern, die aussehen wie Ernest Hemingway, wurde ein Herr namens Zach Taylor zum schönsten Doppelgänger gekürt. Die Frage ist trotzdem: Gäbe es nicht längst Möglichkeiten, dass da mal eine Frau gewinnt?

Von Martin Zips

In internationalen Medien war gerade die Geschichte eines 50-jährigen Hobbytüftlers aus Japan zu lesen, der angeblich lange Zeit darunter litt, dass er auf Twitter nicht mehr als sechs Follower hatte. Mittlerweile hat der Mann aber mehr als 33 000 Follower. Das liegt übereinstimmenden Berichten zufolge an den von ihm dort publizierten Selfies, welche der geschiedene Familienvater mit einer Smartphone-Software so präparierte, dass er auf den Bildern wie eine junge Frau mit blonden Haaren aussieht. Technisch ist heute ja so viel möglich!

Die Frage ist: Könnte dieses Verfahren bald auch einer Frau die Zulassung für die Teilnahme am jährlichen Ernest-Hemingway-Lookalike-Wettbewerb ermöglichen, wie er gerade wieder in Key West, Florida, stattgefunden hat? Und wäre das nicht sogar wünschenswert?

Den Ähnlichkeitswettbewerb, der mittlerweile seit vier Jahrzehnten in Hemingways Stamm-Spelunke "Sloppy Joe's Bar" ausgetragen wird, hat diesmal der 63 Jahre alte Zach Taylor gewonnen. Taylor, der eigentlich Fachhändler für Elektro- und Sanitärbedarf in Georgia ist, sieht dem Literaturnobelpreis-Gewinner tatsächlich unglaublich ähnlich, aber das sahen fast alle der 136 anderen Teilnehmer des diesjährigen Lookalike-Contests auch.

"Papa ist hier" - "Yeeeaaaaah!"

Mutig jedenfalls, wie nah die maskenlosen alten weißen Hemingway-Doppelgänger samt dem offenbar stark alkoholisierten Publikum in der Bar beieinander standen. Und ständig rief jemand Sachen wie: "Papa ist hier, spürt ihr das?" Antwort: "Yeeeaaaaah." (In Key West nennen sie Hemingway bewundernd Papa. Wahrscheinlich haben sie sein furchtbar ermüdendes Werk "Der alte Mann und das Meer" noch nie gelesen.)

Noch mutiger freilich wäre es gewesen, wenn sie heuer in "Sloppy Joe's Bar" mal einen Pauline-Pfeiffer-Ähnlichkeitswettbewerb veranstaltet hätten. Mit der Journalistin lebte Hemingway einige Jahre in zweiter Ehe zusammen, für sie war er sogar zum Katholizismus konvertiert. Ja, so eine Pauline-Pfeiffer-Doppelgängerinnen-Suche wäre ein wichtiger Schritt in der Geschichte der Ähnlichkeitswettbewerbe. Noch sinnvoller wäre vielleicht die Zulassung auch digitaler Doppelgängerinnen und Doppelgänger.

George V. und Zar Nikolaus II. hätten auch Chancen gehabt

Aber gut. So analog wie es bisher läuft, dürfte leider auch weiterhin vielen Menschen ihre Teilnahme an Lara-Croft-, Mick-Jagger- oder Lena-Meyer-Landrut-Lookalike-Wettbewerben verwehrt bleiben. Das ist ziemlich bitter für all jene, die sich gerade auch äußerlich um eine gewisse Nähe zu ihren Idolen bemühen. Und vielleicht hätte sogar dem großen Ernest Hemingway, der seine innere Unruhe vor allem mit Alkohol, vielen Frauen sowie dem häufigen Gebrauch von Schusswaffen sublimiert haben soll, der Besuch eines Doppelgänger-Wettbewerbs ganz gut getan. Sah er nicht wirklich dem britischen König George V. unglaublich ähnlich? George V. wiederum sah genau so aus wie sein Cousin, Russlands Zar Nikolaus II.

Und wer weiß, hätte es zu Hemingways Lebzeiten bereits die faszinierende Möglichkeit zur digitalen Bildnachbearbeitung gegeben, der Schriftsteller hätte womöglich sogar eine Chance gehabt beim Greta-Garbo-Lookalike-Contest.

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