Süddeutsche Zeitung

Regeln für Eltern:Kuchen verboten

Kindergärten verbieten Eltern, zu Geburtstagsfeiern Selbstgebackenes mitzugeben - wegen des unkalkulierbaren Risikos.

Von Sophie Burfeind

Zu einem Kindergeburtstag gehörte einmal ein Geburtstagskuchen. So bunt wie möglich, mit Smarties, Schokostreuseln und vielen Kerzen zum Auspusten. Man muss sagen "gehörte", denn mancherorts ist der selbstgebackene Geburtstagskuchen in Gefahr, Kindertagesstätten sehen in ihm ein unkalkulierbares Gesundheitsrisiko. Schließlich könnte so ein Kuchen Allergien auslösen oder voller Keime sein - womöglich sogar voller gefährlicher Salmonellen, sollte er unter 70 Grad gebacken worden sein. Nicht auszudenken, was beim Verzehr eines Stück Kuchens alles passieren kann.

Nur noch Eingeschweißtes

Zum Schutz der Kinder ließ das Jugendamt in Leipzig deshalb Ende September in allen städtischen Kitas Zettel aushängen, die den Eltern das Mitbringen von Selbstgemachtem und Selbstgebackenem untersagte. Erlaubt war nur noch Eingeschweißtes: abgepackte Kuchen, Kekse, Würstchen oder Klopse, die man als Industrie-Fraß verabscheuen mag, die aber zweifelsohne den Lebensmittelvorschriften, Hygieneverordnungen und europaweiten Kennzeichnungspflichten der Lebensmittelindustrie unterliegen.

Erst nach heftigen Protesten der Eltern hob der Leipziger Bürgermeister Thomas Fabian das Kuchenverbot Anfang Oktober persönlich wieder auf. Da sagte er: "Es ist eine schöne Geste, wenn Eltern einen selbstgebackenen Kuchen mitbringen. Meiner Erfahrung nach schmeckt er besonders gut."

Verbotene Inhaltsstoffe

Auch in anderen Orten Deutschlands legen Träger von Kindertagesstätten ihren Einrichtungen nahe, selbstgebackenen Kuchen ihre bunt angemalten Eingangstüren zu verschließen. Der Kita-Zweckverband des Bistums Essen tut das seit knapp einem Jahr - allein schon, weil der Kuchen verbotene Inhaltsstoffe enthalten könnte, wie eine Sprecherin erklärt. "Kinder aus veganen oder muslimischen Familien dürfen zum Beispiel bestimmte Fette nicht essen, das ist in einem mitgebrachten Kuchen nirgends nachvollziehbar." Und dann auch noch die Hygiene! "Man weiß ja nicht, wie sauber die Hände waren."

Überhaupt, so ein Geburtstag dürfe nicht auf einen Kuchen reduziert werden, ein liebevoll geschmückter Geburtstagsstuhl, Geburtstagsbücher oder Geburtstagskronen bereiteten einem Kind gleich viel Freude - genauso wie ein Waldspaziergang. Wenn es unbedingt ein Kuchen sein müsse, werde er in den 270 Kitas des Essener Zweckverbands von Erziehern und Kindern gemeinsam gebacken.

Passiert ist noch nichts

Ähnliche Kuchen-Warnungen spricht das Institut Lernen und Leben in Vorpommern-Rügen aus. Passiert ist dort zwar auch noch nie etwas, aber Beate Arndt, die zuständige Regionalleiterin für Kindertagesstätten und Horte, findet: "Muss denn immer erst etwas passieren, bevor man reagiert?"

Es heißt, an verschiedenen Kitas in Deutschland werde nun auch die Einschweißpflicht für Kinder diskutiert. Dass die mit ihren laufenden Nasen und aggressiven Hustenattacken gesundheitsgefährdend sind, ist jedenfalls gar keine Frage.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2015/tamo
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