Ermittlungschaos nach Amoklauf:Amokdrohung vermutlich gefälscht

"Irgendein Verrückter hat wohl eine schlimme Falschmeldung in die Welt gesetzt." So rechtfertigt sich Baden-Württembergs Innenminister in der SZ. Nur Stunden zuvor hatte er Ermittlungsergebnisse präsentiert, wonach Tim K. seinen Amoklauf im Internet ankündigt habe. Jetzt zieht die Polizei die Aussage zurück, auf seinem Computer eine Drohung gefunden zu haben.

Tim K. hat seinen Amoklauf am Mittwoch in Winnenden womöglich doch nicht vorab im Internet angekündigt. Die Annahme der Ermittler, die Ankündigung der Bluttat in einem Internet-Chat sei auf dem Computer des 17-Jährigen geschrieben worden, habe sich als falsch herausgestellt, sagte ein Sprecher der Polizei Waiblingen am Donnerstagabend.

Ermittlungschaos nach Amoklauf: Auf der Seite www.krautchan.net soll Tim K. das Blutbad von Winnenden angekündigt haben - nun zeichnet sich eine schwere Ermittlungspanne ab.

Auf der Seite www.krautchan.net soll Tim K. das Blutbad von Winnenden angekündigt haben - nun zeichnet sich eine schwere Ermittlungspanne ab.

(Foto: Foto: dpa)

Auf dem Computer des Amokläufers Tim K. habe sich definitiv kein entsprechendes Chatprotokoll gefunden, so der Sprecher. Wie es zu der Falschmeldung kam, sei noch unklar.

"Irgendein Verrückter hat wohl eine schlimme Falschmeldung in die Welt gesetzt", sagte der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech der Süddeutsche Zeitung am späten Abend. Die Ermittler der Polizei hätten auf dem Computer von Tim K. festgestellt, dass der Forum-Eintrag nicht von dort verfasst wurde. "Das muss wohl im nachhinein konstruiert worden sein", sagte Rech. Er wies Kritik zurück, die Ermittlungsbehörden hätten zu früh auf die Echtheit des Eintrages festgelegt. "Ich habe stets deutlich gemacht, dass es sich um den vorläufigen Stand der Ermittlungen handelt. Es muss nun geklärt werden, wie der Vater eines 17-Jährigen behaupten konnte, er habe den Eintrag vor der Tat gesehen."

Auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat mittlerweile offenbar erhebliche Zweifel. "Wir sind wie vor den Kopf gestoßen", sagte die Sprecherin, Claudia Krauth, dem Tagesspiegel. "Wir sind fest davon ausgegangen, dass der Eintrag stimmt, weil wir ihn auf dem Computer des Amokläufers gefunden haben", sagte Krauth weiter.

Baden-Württembergs Innenminister hatte noch am Nachmittag in einer Pressekonferenz erklärt, der Eintrag stamme zweifelsfrei von Tim K. Die Ermittler hätten Daten auf dem PC des Amokläufers gefunden, die zeigten, dass der 17-Jährige in der Nacht vor der Tat in einem Internet-Forum geschrieben habe: "Ich meine es ernst, Bernd - ich habe Waffen hier, und ich werde morgen früh an meine frühere Schule gehen und mal so richtig gepflegt grillen." Weiter habe es geheißen: "Merkt Euch nur den Namen des Orts: Winnenden."

Die Polizei Waiblingen und die Staatsanwaltschaft Stuttgart teilten mit, derzeit würden Zeugen vernommen, die den Chat-Eintrag gesehen haben wollen. Entscheidend sei, wann genau sie ihn gesehen hätten, sagte der Polizeisprecher. Die Behörden haben nach eigenen Angaben außerdem eine Anfrage bei dem Betreiber der Servers in den USA veranlasst. Dadurch könnte womöglich geklärt werden, wann der Eintrag auf der Seite verfasst wurde.

Die mögliche Ankündigung des Amoklaufes im Internet hatte unter Nutzern Diskussionen über die Echtheit des Eintrags ausgelöst. "Der Eintrag ist definitiv gefälscht", sagte ein Nutzer der Seite www.krautchan.net.

"Leute, die mit Photoshop umgehen können"

Auf der Seite soll der Amokläufer Tim K. seine Drohung platziert haben. Der Nutzer verwies darauf, dass der Forumsbeitrag seiner Kenntnis nach nachträglich manipuliert worden sei und als gefälschter Screenshot in Umlauf gebracht worden ist. Er bezog sich auf entsprechende Diskussionen der Nutzer.

Die Seite www.krautchan.net selbst war am Donnerstag nicht mehr erreichbar.

Auf der Startseite heißt es:

"Leider wird unser winziger Server mit dem momentanen Ansturm nicht fertig. Es gibt allerdings auch gar nichts zu sehen, da die deutsche Presse sich (...) von einer Fälschung hat täuschen lassen. Hier wurde kein Amoklauf angekündigt, es gibt hier nur Leute, die mit Photoshop umgehen können."

Ein Experte zur Quellenprüfung im Internet, der Berliner Journalist Albrecht Ude sagte, dass eine abschließende Beurteilung nicht mehr möglich sei, da alle Seiten gelöscht worden seien. "Die Firma, wo das Forum registriert ist, ist aber schon einmal durch eine Fälschung aufgefallen."

Allerdings sei es seltsam, dass die Inhalte allesamt verschwunden seien. "Wenn man behauptet, dass das ganze eine Fälschung ist, mutet es seltsam an, wenn alle Beweise, die dies belegen, gelöscht worden sind."

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