Ermittlungsbericht zu Winnenden:Tim K.s Amok-Recherche

Ein Bericht der Polizei und Staatsanwaltschaft bringt neue Erkenntnisse zum Amoklauf in Winnenden: Demnach informierte sich der 17-jährige Tim K. vor der Tat gezielt im Internet.

Wieviel Vorbildfunktion haben die Massaker von Columbine und Erfurt für potentielle Täter? Ein Ermittlungsbericht der Polizei zum Amoklauf von Winnenden und Wendlingen hat hierzu brisante Ergebnisse. Aus einem nun veröffentlichten Ermittlungsbericht von Polizei und Staatsanwaltschaft geht hervor, dass sich der Todesschütze Tim K. über ähnliche Taten im Internet informierte. Bei der Bluttat am 11. März an der Albertville-Realschule in Winnenden erschoss der 17-jährige Tim K. 13 Menschen, auf seiner Flucht tötete er anschließend zwei Passanten - und schließlich sich selbst.

Ermittlungsbericht zu Winnenden: Tim K.s Amok-Recherche, dpa

Einschusslöcher in der Scheibe eines Autohauses in Wendlingen zeugen von der Tat. Nun hat die Polizei neue Erkenntnisse zum Amoklauf von Winnenden bekannt gegeben.

(Foto: Foto: dpa)

Eine Auswertung der Internetaktivitäten brachte Erkenntnisse, dass der Täter zu Amoktaten in den USA an der Columbine High School und in Deutschland am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt recherchierte.

Auch den Gegnern der Killerspielern dürfte der Bericht neue Argumente liefern: Demnach verbrachte Tim K. den Ermittlern zufolge viel Zeit am Computer. Dort spielte er unter anderem Ego-Shooter-Spiele. Aufgrund der Computerauswertung gehen die Ermittler davon aus, dass er zuletzt am 8. März Ego-Shooter zu Hause spielte.

Nach Angaben der Ermittler stand Tim K. nicht unter Drogen-, Alkohol oder Medikamenteneinfluss. Ob der Todesschütze psychisch krank war, steht noch nicht abschließend fest. Entsprechende Krankenunterlagen müssten noch ausgewertet werden, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit.

Darüber hinaus geht aus dem Bericht hervor, dass sich der Amokläufer von Winnenden nicht gezielt an den Mädchen und Lehrerinnen seiner ehemaligen Schule rächen wollen. Demnach war es eher ein Zufall, dass im Kugelhagel am 11. März acht Schülerinnen und drei Lehrerinnen, aber nur ein Schüler ums Leben kamen.

Das Motiv des Täters aber bleibt unklar. Tim K. sei in seiner Schule nicht gemobbt worden, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit.

Weil die Waffe nicht ordnungsgemäß aufbewahrt wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen den Vater des Amokläufers wegen fahrlässiger Tötung . Das Verfahren solle bist zum Herbst abgeschlossen werden, sagte Staatsanwältin Claudia Krauth.

Der Amoklauf von Winnenden hat in Deutschland eine Debatte über die Verschärfung des Waffenrechts ausgelöst. Auch die Hinterbliebenen der Opfer haben sich in die Diskussion eingeschaltet: Sie haben die "Stiftung gegen Gewalt an Schulen" gegründet und sammeln Unterschriften für strengere Waffengesetze und ein Verbot von gewaltverherrlichenden Computerspielen.

Presserat rügt Berichte über Tat

Unterdessen hat der Deutsche Presserat die Berichterstattung der Bild- Zeitung und ihrer Online-Ausgabe zum Amoklauf von Winnenden gerügt. Beanstandet wurde unter anderem die mehrseitige Berichterstattung der Bild unter den Überschriften "Seid ihr immer noch nicht tot?" sowie "Wie wurde so ein netter Junge zum Amokschützen?". Ein ganzseitiges Bild zeige den Amokläufer mit gezogener Waffe in einem Kampfanzug. Diese Fotomontage verbunden mit der Überschrift "Seid ihr immer noch nicht tot?" ist nach Ansicht des Beschwerdeausschusses des Presserates unangemessen sensationell. Sie stelle den Amoktäter in einer Heldenpose dar.

Darüber hinaus befasste sich der Presserat erstmals auch mit einer animierten Grafik: Die Darstellung sollte die Situation in einem Klassenzimmer verdeutlichen, zu sehen war auch, wie der Amokläufer - wieder als Fotomontage im Kampfanzug - eine Lehrerin erschießt. Diese Darstellung der Tötung hält der Ausschuss mit Blick auf die Hinterbliebenen der Getöteten für eine unangemessen sensationelle Darstellung.

Beanstandet hat der Beschwerdeausschuss auch einen Bericht im Internet. Bild-Online hatte unter der Überschrift "Diese jungen Leben hat er ausgelöscht" die vollen Vor- und Nachnamen mehrerer Opfer genannt. Der Ausschuss erkennt hierin einen Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und Hinterbliebenen.

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