Süddeutsche Zeitung

Ermittlungen zum Tod von Flüchtling:Dresdner Polizei räumt Fehler ein

Lesezeit: 2 min

Von Manuel Stark

Die Dresdner Polizei hat im Fall des getöteten Asylbewerbers aus Eritrea Fehler eingeräumt. Im Innenausschuss des Landtags erklärten die Ermittler, warum sie Fremdeinwirkung beim Tod von Khaled B. zunächst ausgeschlossen hatten.

Die Leiche des 20-jährigen Afrikaners habe an Hals und Brust Verletzungen aufgewiesen, die die ersten Polizisten vor Ort jedoch auf einen offenen Schlüsselbeinbruch zurückgeführt hatten. Erst bei der Obduktion seien Stichkanäle entdeckt worden. Der junge Mann ist nach Aussage der Staatsanwaltschaft durch mehrere Stiche in Hals und Brust getötet worden. Darum sei auch die Spurensicherung nach der Obduktion noch mal an den Tatort gefahren und habe Beweise gesammelt, hieß es. Die Mopo24 hatte berichtet, dass die Spurensicherung erst 30 Stunden nach dem Fund der Leiche ihre Arbeit aufgenommen habe.

Volker Beck stellt Strafanzeige

Im Zusammenhang mit dem Tod des Mannes hat der Grünen-Politiker Volker Beck Strafanzeige gestellt. Sie richte sich gegen unbekannt wegen möglicher Strafvereitelung im Amt, teilte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion am Donnerstag bei Twitter mit.

"Mir fehlt jedes Verständnis für das nachlässige Vorgehen der Ermittlungsbehörden", schreibt Beck auf seiner Webseite. Erst 30 Stunden nach dem Leichenfund die Spurensicherung zu schicken, wirkt auf Beck "allzu dilletantisch". Das Vorgehen der Ermittlungsbehörden bezeichnet er als "nachlässig".

OAZ in die Ermittlungen einbezogen

Nach übereinstimmenden Berichten wurde auch das Operative Abwehrzentrum (OAZ) in die Ermittlungen einbezogen. Das OAZ ist eine Sondereinheit der sächsischen Polizei, die hinzugezogen wird, wenn von einem extremistischem Hintergrund einer Straftat ausgegangen werden muss.

"Das genaue Motiv ist uns aber, genau wie der Tathergang, weiterhin unklar. Wir können nicht mit Sicherheit von Rassismus sprechen, sondern ermitteln in alle Richtungen", sagte Oberstaatsanwalt Lorenz Haase auf Nachfrage von SZ.de.

Auch zum Tatort hätten sich im Laufe der Ermittlungen neue Fragen aufgetan. "Uns ist unkar, ob der Fundort des Toten auch dem Tatort entspricht. Unsere Ermittler sichten nun das Material aller Überwachungskameras in der Gegend."

Spurensicherung soll 30 Stunden zu spät eingetroffen sein

Freunde und Mitbewohner fanden die Leiche des 20-jährigen Eritreers Khaled B. am Dienstagmorgen im Hinterhof ihrer Wohnsiedlung im Stadtteil Leubnitz-Neuostra in Dresden. Sie sprechen von "eindeutigen Spuren" eines Gewaltverbrechens.

Die Polizei sieht das zunächst anders. "Am Tatort konnten wir bisher keinerlei Hinweise auf die gewaltsame Einwirkung durch Dritte finden. Eine Krankheit, ein Sturz oder ein Suizidversuch könnten ebenso die Ursachen sein", hieß es vom Pressesprecher der Polizeidirektion Dresden, Thomas Geithner, auf Anfrage von SZ.de. Die Spurensicherung traf nach Informationen der Nachrichtenplattform MOPO24 erst 30 Stunden nach dem Vorfall am Tatort ein. Zu diesem Zeitpunkt hatten schon mehrere Personen den Tatort betreten.

Im Laufe des Tages ändern sich die Aussagen der Ermittlungsbehörden. "Nach jetzigem Befund legen wir uns darauf fest, dass ein Messerstich ursächlich für die Verletzung verantwortlich ist. Wir schließen aus, dass es sich um einen Unfall handelt. Es ist ein Tötungsdelikt. Von vorsätzlichem Handeln ist auszugehen", sagte der Polizeipräsident von Dresden, Dieter Koll, am Mittwochnachmittag.

Am Mittwochabend äußerte sich Oberstaatsanwalt Lorenz Haase und sagte, dass Khaled B. "durch mehrere Messerstichen im Hals- und Brustbereich zu Tode gekommen" sei. Das habe eine Obduktion ergeben.

Vertrauen statt Mutmaßungen

Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) warnte vor Mutmaßungen. "Ich glaube, mir geht es wie vielen, dass diese Tat an einem Asylbewerber aus Eritrea, der in unserer Stadt gelebt hat, viele Fragen aufwirft", sagte sie. Sie habe aber Vertrauen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft diese Fragen schnell klären könnten.

Auf eine schnelle Aufklärung hofft auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Sachsen. "Flüchtlinge in dieser Stadt haben Angst", sagt eine Sprecherin der Nachrichtenagentur dpa. Ein AWO-Mitarbeiter habe den 20-jährigen Khaled B. sowie dessen sieben Mitbewohner aus Eritrea bisher betreut. In der vergangenen Woche habe er von Tritten gegen die Wohnungstür der Asylbewerber sowie von Hakenkreuz-Schmierereien im Hausflur berichtet.

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