Ermittlungen gegen Pharmahändler:HIV-Pillen für Afrika verscherbelt

Die Medikamente waren für HIV-Infizierte in Afrika bestimmt. Doch Pharmahändler sollen sie überteuert in Deutschland verkauft haben: Die Ermittlungen laufen.

Mehrere Staatsanwaltschaften und das Bundeskriminalamt sind einem bundesweiten Millionenbetrug mit gefälschten HIV-Medikamenten auf der Spur.

BKA ermittelt wegen Medikamenten-Betrugs

Das BKA hat Ermittlungen gegen mehrere Pharmagroßhändler wegen Betrugs mit HIV-Medikamenten bestätigt.

(Foto: dpa)

Das Bundeskriminalamt (BKA) bestätigte am Donnerstag die Ermittlungen gegen mehrere Pharmagroßhändler. Federführend seien die Staatsanwaltschaften Trier, Lübeck und Flensburg, sagte eine BKA-Sprecherin am Donnerstag in Wiesbaden.

Die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt nach eigenen Angaben gegen die Geschäftsführer eines Pharmagroßhändlers aus Trittau wegen gefälschter Medikamente gegen das Aidsvirus.

Oberstaatsanwalt Günter Möller bestätigte damit entsprechende Berichte des Radiosenders NDR Info vom Donnerstag, wonach subventionierte HIV-Medikamente für Afrika illegal in Deutschland verkauft worden sein sollen. Den beiden Geschäftsführern aus Trittau wird Betrug und Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vorgeworfen. Dafür drohen ihnen bis zu fünf beziehungsweise drei Jahre Freiheitsstrafe.

Ende 2009 sollen demnach zweimal 300 Packungen des Medikaments Norvir aus Südafrika über Länder wie die Schweiz, Belgien und Großbritannien nach Trittau gelangt sein. Es gehe um ein Geschäftsvolumen von 230.000 Euro, sagte Oberstaatsanwalt Möller. Die Verpackungen seien verändert worden. Bei den Ermittlungen bewege man sich bisher "an der Peripherie". Die Untersuchungen würden sich noch eine Weile hinziehen.

Dies dürfte auch für zahlreiche weitere mutmaßliche Betrügereien gelten. Das BKA wurde nach Angaben seiner Sprecherin wegen der Dimension der Fälle und wegen der Verbindungen ins Ausland eingeschaltet. NDR Info hatte berichtet, es gebe Ermittlungen gegen mehrere Beschuldigte in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. Allein ein einzelner Händler soll einen Umsatz von sechs Millionen Euro erzielt haben, berichtet der NDR. Die AOK Niedersachsen schätzt, dass der finanzielle Schaden für die Krankenkassen mindestens im zweistelligen Millionenbereich liegt, da die Täter die gefälschten Produkte zu regulären Preisen bei den Kassen abgerechnet haben sollen.

Betrug flog bereits 2009 auf

"Da mit Südafrika, der Schweiz und Belgien auch andere Länder beteiligt sind, zählt dieses Verfahren sicher zu unseren größten", sagte der leitende Oberstaatsanwalt in Flensburg, Rüdiger Meienburg, zu den Vorgängen.

Aufgeflogen war der mutmaßliche Betrug nach den Berichten des NDR im August 2009 in einer Delmenhorster Apotheke. Dort war einem HIV-Patienten aufgefallen, dass sich in einem unbeschädigten Blister - also der Sichtverpackung eines Medikaments - keine Tabletten befanden. Bei anschließenden Untersuchungen des Medikaments durch den Münchner Hersteller GlaxoSmithKline stellte sich heraus, dass sowohl die Umverpackung als auch der Beipackzettel und der Blister gefälscht waren. Der Konzern rief daraufhin sicherheitshalber die betreffende Charge zurück.

Auch der Hersteller Boehringer-Ingelheim musste 2009 und 2010 in einem ähnlichen Fall mehrere Chargen eines HIV-Medikaments zurückrufen.

Nach bisherigem Ermittlungsstand war die Wirksamkeit der Medikamente nicht beeinträchtigt. Allerdings gibt es nach wie vor Untersuchungen, ob die Präparate zum Beispiel durch eine Unterbrechung der Kühlkette Schaden genommen haben.

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