Konzentriert wirkt er, fast schon besessen. Vor ein paar Tagen hat der norwegische Fußballspieler Erling Haaland ein kurzes Video bei Instagram gepostet, darauf ist zu sehen, wie er in einem Flugzeug mit aufgerissenen Augen vor sich hin starrt. Neben ihm döst ein Mitspieler, mit großen Kopfhörern auf den Ohren, vermutlich hört er Musik. In dieser Szenerie ist der Sitznachbar wichtig, denn er ist derjenige, der sich hier normal verhält, in diesem Fall also: der Antagonist. Haaland hingegen hat sieben Stunden am Stück kein Handy benutzt, nicht gedöst oder geschlafen, nicht gegessen, nicht getrunken, wie er schreibt. Das Einzige, was er tat, war auf den verdammten Flugverlauf auf dem Bildschirm zu schauen, vor ihm die öden Umrisse von Kontinenten und Inseln aus der Vogelperspektive. Dazu schreibt er: „Just raw dogged a 7 hour flight #easy“.
Nun, was soll man dazu sagen? Gute Besserung? Nein, nein, lieber: herzlichen Glückwunsch. Denn „Raw Dogging“, das muss man kurz erklären, war lang ein Begriff dafür, Sex ohne Kondom zu haben, gewissermaßen die pure Erfahrung. Seit einer Weile aber steht Raw Dogging, vor allem dank Tiktok, auch für einen Wettkampf. Das Ziel: langwierige Tätigkeiten ohne jegliche Ablenkung zu überstehen.
Nun ist das nicht ganz neu, gibt es doch schon seit einer Weile Bildschirmzeitregulations-Apps, zum Glukoseverzicht mahnende Instagram-Werbung und nicht wenige Prediger, die einem das Handy in der Badewanne und das Hören von True-Crime-Podcasts beim Staubsaugen ausreden möchten. Das Interessante am Raw Dogging aber ist, dass es sich in den Chor der Selbstoptimierer nur auf den ersten Blick einreiht. Wer Raw Dogging praktiziert, und das tun gerade einige, der verlässt den Boden des Ernsthaften, denn hier geht es noch ein, zwei Umdrehungen weiter. Nicht nur schädigender Genuss soll ja gemieden werden, sondern auch halbwegs vernünftige Dinge wie Wasser, Schlaf und Nahrung. Es ist also alles ein großer spätpubertärer Quatsch.
Erling Haaland, vielfacher Top-Torschütze, gehört nun also zu den subtilen Kritikern des Zeitgeists. Oder aber – und auch das kann sein – er meint es halt einfach ernst.