Süddeutsche Zeitung

Ergo-Lustreise nach Jamaika:Versicherungsvertreter im Garten Eden

Wie belohnt man Mitarbeiter, deren Job so viel Sexappeal hat wie ein Bingo-Abend im Seniorenheim? Die Ergo-Versicherung spendierte ihren Leistungsträgern eine Lustreise nach Jamaika, ins Hotel "Hedonism II". Welche Vergnügungen den Versicherungsvertretern dort geboten wurden, wird durch ein paar Klicks deutlich.

Johanna Bruckner

Versicherungsvertreter ist einer der langweiligsten Berufe überhaupt - dachte der Nicht-Versicherungsvertreter lange. Gut, Mann darf Oberklassewagen in gedeckten Farben kutschieren. Aber optisch bewegen sich Policen-Verkäufer irgendwo zwischen Bankern und Bestattungsunternehmern. Wobei letzterer Job wenn auch nicht attraktiv, so doch zumindest ausgefallener erscheint. Wie spannend sind schon Zahnzusatzversicherungen?

Sehr, muss der Nicht-Versicherungsvertreter jetzt einmal mehr erfahren. Zumindest bei der Ergo-Versicherung: Die belohnt leistungsstarke Mitarbeiter schon mal mit Lustreisen nach Budapest oder - wie jetzt an die Medien durchgestochen wurde - nach Mallorca und Jamaika. Das Unternehmen weiß eben, wovon ein Arbeitnehmer träumt, dessen beruflicher Alltag so viel Sexappeal zu bieten hat wie ein Bingo-Abend im Seniorenheim. Das legt zumindest das Etablissement nahe, das Ergo 2010 für die Kollegen von Herrn Kaiser auf der Karibikinsel buchen ließ.

Denn das "Hedonism II" trägt nicht nur einen sprechenden Namen. ("Hedonismus", laut Duden "die Auffassung, dass das Streben nach Genuss und Lustgewinn die Triebfeder menschlichen Handelns sei".) Es wird in Deutschland auch vom Veranstalter Aphrodite Lifestylereisen & Touristikgesellschaft mbH vermarktet. Wir erinnern uns: Aphrodite ist in der griechischen Mythologie die Göttin der Liebe.

Die Offenheit kennt ihre Grenzen

"Aphrodite Travel", wie sich das Unternehmen auch selbst nennt, hat diverse FKK- und Swinger-Hotels im Portfolio, darunter das "Dreams Bizarre" auf Mallorca, "die wohl schönste SM Villa in Europa". Die Offenheit des Reiseveranstalters kennt allerdings Grenzen: Zur aktuellen Berichterstattung um die Ergo-Buchung und der Frage, welchen Anteil Unternehmensbuchungen am Gesamtgeschäft ausmachen, will der Reiseveranstalter keine Stellung nehmen.

Umso aussagekräftiger ist der Internetauftritt des vermarkteten Feriendomizils auf Jamaika. Auf seiner englischsprachigen Webseite wirbt das Hotel mit dem Slogan: "Hedonism II (...) wurde erschaffen als Belohnung für all die Male, bei denen Sie Ihre Urtriebe unterdrücken mussten."

Dem Gast wird "das ultimative Vergnügen" im "Garden Eden" in Aussicht gestellt. Wie das aussehen kann, illustriert eine Bildergalerie. Die bietet potentiellen Gästen nicht nur einen ersten Eindruck vom Achtziger-Jahre-Interieur der Zimmer: Auf dem auslandenden Bett mit Blümchen-Überwurf schwimmt ein Frottee-Schwan, über der Schlafstatt ist ein großer Spiegel angebracht. Sie sehen auch ein Pärchen beim Lustwandeln am hoteleigenen FKK-Strand. Auch die Aufnahme einer Frauengruppe in Spandex beim Aerobic soll wohl Erotik transportieren - doch die stammt, wie der Trend zum textilfreien Dasein, aus einem vergangenen Jahrzehnt.

Die Imagebroschüre, vorne mit der Warnung "Achtung, enthält erregbare Inhalte" versehen, bietet weiteres Fotomaterial: Ein Pärchen beim Duschen, das mehr mit sich als mit der Körperpflege beschäftigt ist. Ein Pärchen beim Tanzen, er in Boxershorts mit offenen schwarzen Seidenhemd, sie bis auf ein paar strategisch platzierte Federn nackt. Eine Frau beim Tennisspielen, wobei der Fotograf die Unterwäsche des Models und nicht ihre Spielkunst in den Fokus gesetzt hat.

Das gefällt Fans von Freikörperkultur und frivolen Freizeitbeschäftigungen, die im Netz von ihren Urlaubserfahrungen schwärmen: "So richtig los ging es dort (...) nach Mitternacht. Obwohl klimatisiert, wurde es in der Disco recht heiß. Dann fielen schon mal die Hüllen und auch der ein oder andere Blow-Job war zu sehen", schreibt ein ehemaliger Gast auf dem Internetportal fkk-frivol.com.

Das "Hedo" betont übrigens, dass "alle Mahlzeiten, alle Getränke, alle Aktivitäten und Unterhaltung im Preis inbegriffen und Trinkgelder (...) schlichtweg nicht erlaubt" seien. Wie könnte es im Paradies auch anders sein?

Sollten den einen oder anderen bei solchen An- und Einblicken Zweifel überfallen, ob ein Langstreckenflug reicht, um sich aus dem Korsett gesellschaftlicher Konventionen zu befreien, den weiß die Hotelleitung zu beruhigen. "Seit mehr als 30 Jahren haben die Hedonism Resorts den Ruf, Hemmungen abzubauen und die Art Verhalten zu provozieren, über das in höflichen Kreisen nicht gesprochen wird."

Das dürfte Ergo und ihren Lustreisenden angesichts der jüngsten Medienberichterstattung ein schwacher Trost sein.

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