Erfurt (dpa/th) - Bei den Ermittlungen zum Angriff auf eine Gruppe junger Menschen vor der Thüringer Staatskanzlei im Juli 2020 hat sich ein rechtsmotivierter Hintergrund nicht erhärtet. „Nein, der Verdacht hat sich nicht bestätigt“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt, Hannes Grünseisen, der Deutschen Presse-Agentur. Nach früheren Angaben der Staatsanwaltschaft sind die in diesem Verfahren Beschuldigten teilweise wegen rechtsmotivierter Straftaten polizeibekannt beziehungsweise wegen Gewaltstraftaten vorbestraft.
Im Hirschgarten in Erfurt, einer Grünanlage vor der Staatskanzlei, war im Juli eine Gruppe vorwiegend junger Menschen von einer anderen Gruppe plötzlich angegriffen worden. Die Opfer wurden teils schwer verletzt.
Es würden Verfahren gegen nunmehr 15 Tatverdächtige geführt, sagte Grünseisen. Kurz nach dem Übergriff waren die Ermittler von zwölf beteiligten Angreifern ausgegangen. Das Motiv für den Übergriff habe bislang nicht geklärt werden können, sagte der Staatsanwaltschafts-Sprecher weiter.
An der Einschätzung der Staatsanwaltschaft zum Tatmotiv gibt es Kritik. Die mutmaßlichen Täter seien teilweise seit Jahren durch ihre Aktivitäten in der extrem rechten Szene bekannt, sagte der Vorstandsvorsitzende der Demokratieberater von Mobit, Sandro Witt. „Dass dieser Tathintergrund nicht anerkannt wird, ist ein katastrophales Signal an die Betroffenen und verschleiert das Problem extrem rechter Gewalt.“ Ähnlich äußerte sich auch die Linke-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss. „Gewalt ist konstitutiver Teil rechter Ideologie“, sagte sie. Die Sicht der Staatsanwaltschaft verkenne, „dass Neonazis und Personen der rechten Szene keinen konkreten Anlass für derartige gewalttätige Übergriffe brauchen“.
In vergleichbaren Fällen hatte es in der Vergangenheit immer wieder Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ermittlern und Opferschutzorganisationen gegeben. Es geht um die Frage, ob alle Gewaltstraftaten rechtsmotiviert sind, bei denen die Täter durch eine rechte Gesinnung aufgefallen waren. Auch diesen Angriff haben die Opferberater von ezra in ihre Chronik rechter Überfälle in Thüringen aufgenommen.
Im Zuge der Ermittlungen in dem Verfahren waren im August mehrere Wohnungen in Erfurt und im Saale-Holzland-Kreis durchsucht worden. Dabei waren die Ermittler nicht nur auf der Suche nach den Handys der Beschuldigten. Polizei und Staatsanwaltschaft hofften auch, Kleidungsstücke zu finden, die die mutmaßlichen Angreifer bei der Tat getragen haben sollen.
Die Angreifer stehen im Verdacht, sich der gefährlichen Körperverletzung, des Landfriedensbruchs, des Widerstands gegen sowie des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht zu haben. Grünseisen sagte, die in den vergangenen Monaten geführten Ermittlungen hätten den Tatverdacht gegen die Angreifer erhärtet. „Die polizeilichen Ermittlungen sind abgeschlossen“, so der Sprecher. Über Anklageerhebungen werde die Staatsanwaltschaft nun bald entscheiden.