Erdbeben von San Francisco:"Die Apathie ist unser Feind"

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Schon seit Anfang der 90-er Jahre warnt die US-Erdbebenbehörde vor dem nächsten Killerbeben. Ihre damalige Prognose für die Katastrophe: innerhalb von dreißig Jahren mit knapp 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit. Zum Jahrestag des Bebens von 1906 ist die Hälfte dieser Zeit abgelaufen.

Michael Chertoff wird dafür bezahlt, an das Schlimmste zu denken. Der US-Heimatschutzminister ist dafür zuständig, Kalifornien auf das nächste gewaltige Erdbeben vorzubereiten, das Wissenschaftler bis spätestens 2032 erwarten. Chertoff ist zuversichtlich, dass die Region ein Erdbeben wie das vom 18. Oktober 1906 überstehen kann, allerdings nicht ohne Verluste.

Trügerische Schönheit: Die Bay Area um San Francisco. (Foto: Foto: Reuters)

"Einstürzende Gebäude. Brände. Menschen, die auf einer teilweise zerstörten Brücke festsitzen. Überschwemmungen." Das sind die Bilder, die Chertoff durch den Kopf gehen bei dem Gedanken an ein Erdbeben in Kalifornien.

Er ist jedoch optimistisch. "Ich glaube, dass dieser Staat gut vorbereitet ist, aber das heißt nicht perfekt vorbereitet", sagt er. Wenn die Erde während der Hauptverkehrszeit bebe, "wird es große Probleme geben, egal wie gut vorbereitet die Behörden sind. Es wird hässlich werden." Besonders in den ersten 24 bis 48 Stunden nach einem Beben seien die Menschen wohl auf sich allein gestellt.

Wie Chertoff sind die meisten Regierungsvertreter und Experten überzeugt, dass Kalifornien sich nach einem Erdbeben rasch erholen würde.

Es ist jedoch die Gleichgültigkeit der Menschen, die dem Katastrophenschutz die größte Sorge bereitet. Sieben von zehn Kaliforniern glauben, dass es wieder zu einem Erdbeben kommen wird, von dem auch sie selbst betroffen sind.

Nur 22 Prozent bezeichnen sich allerdings als gut vorbereitet. Die meisten Bürger haben nach Angaben des Roten Kreuzes nicht einmal minimale Vorbereitungen getroffen: Sie haben keine Lebensmittel für mehrere Tage vorrätig, keinen Plan, um Verwandte zu kontaktieren und keine Ausbildung in Erster Hilfe.

Unterweisung in erster Hilfe

"Das ist nicht akzeptabel", sagt Bürgermeister Gavin Newsom. "Apathie ist unser Feind." Das Rote Kreuz will nun rund eine Million Menschen in der Umgebung von San Francisco in Erster Hilfe unterweisen.

Außerdem sollen neue Computermodelle den Menschen verdeutlichen, ob sie in einem erdbebengefährdeten Gebiet wohnen in der Hoffnung, dass sie sich dann vielleicht besser vorbereiten.

Die Wissenschaftler der für den Erdbebenschutz zuständigen Behörde USGS ermittelten, dass es mit einer Wahrscheinlichkeit von 62 Prozent noch vor 2032 zu einem Erdbeben der Stärke 6,7 in der Region kommen wird.

Bedrohliche Vorboten

Bereits seit dem Lomo-Prieta-Beben im Jahre 1989, das die Stärke 7,1 hatte und bei dem 67 Menschen erschlagen wurden, ist die Behörde alarmiert. Anfang der 90-er Jahre lag ihre Prognose für ein Erdbeben mit verheerenden Ausmaßen bei 67 Prozent innerhalb der kommenden 30 Jahre. Denn Killer-Erdbeben kündigen sich meist durch kräftige Erdstöße jahrzehntelang an.

Es könne Schäden in Höhe von rund 100 Milliarden Dollar (82 Milliarden Euro) zur Folge haben. Das Heimatschutzministerium rechnet für diesen Fall mit 1.400 Todesopfern. Andere Quellen gehen von bis zu 160.000 zerstörten Gebäuden aus.

Einer der Bürger, die den Behörden angesichts dieser Zahlen Sorgen machen, ist Charles Bott. Er holte Angebote für Erdbebenversicherungen ein, lehnte dann aber ab. "Es war deutlich mehr als ich für die anderen Versicherungen für mein Haus bezahle", sagt er.

Das Prinzip Hoffnung

Jetzt hofft er wie Millionen andere, dass das nächste Erdbeben nicht kommt, und wenn doch, dass der Staat für die Schäden aufkommt. In Kalifornien sind zwar ganze Metropolen auf seismisch aktivem Gebiet entstanden, trotzdem haben 87 Prozent der Bewohner keine Erdbebenversicherung.

Der Jahrestag des Erdbebens von San Francisco soll die Menschen nach dem Willen der Behörden nun zum Nachdenken anregen.

Den meisten Kaliforniern ist eine solche Versicherung aber schlicht zu teuer, schließlich gehören die Immobilien in der Umgebung von San Francisco zu den teuersten der USA.

Die Kosten für eine Versicherung betragen je nach Lage des Hauses, seinem Alter und seiner Bauweise zwischen 1.500 Dollar (1.230 Euro) und 2.400 Dollar (1.900 Euro) pro Jahr. Die Prämien sollen jedoch im Juni sinken, nachdem eine Studie der Regierung zu dem Schluss kam, dass das Schadensrisiko in vielen dicht besiedelten Gebieten deutlich niedriger ist als bisher erwartet.

Bereit zum Risiko

Einige Hausbesitzer räumen jedoch ein, dass sie das Risiko eines Erdbebens eingehen wollen. "Mein Haus steht auf Felsen und ist 96 Jahre alt", sagt Mike Janover. "Wenn es so lange gehalten hat, wette ich, dass es auch noch fünf weitere Jahre hält, bis ich es verkaufe."

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