Erdbeben:Italiens oberste Krisenmanagerin

Erdbeben: Oberste Krisenmanagerin nach dem Erdbeben in Italien: Immacolata "Titti" Postiglione.

Oberste Krisenmanagerin nach dem Erdbeben in Italien: Immacolata "Titti" Postiglione.

Schon als Neunjährige erlebte Immacolata Postiglione, wie in Süditalien 3000 Menschen bei einem Erdbeben starben - nun will sie ihren Landsleuten beibringen, "dass Prävention alles ist".

Von Oliver Meiler

Wenn die Erde bebt und die Herzen zittern, dann erwarten die Italiener von Immacolata Postiglione, dass sie ganz ruhig bleibt und mit fester, starker Stimme redet. Sie soll rund um die Uhr informieren und koordinieren, Hubschrauber und Bagger organisieren, dazu Spürhunde und Suchtrupps, Zelte und Feldküchen, Essen und Medikamente für Obdachlose. Sie sagt, sie trinke keinen Kaffee. Doch wenn sie vor die Fernsehkameras tritt, merkt man der 45-jährigen Geologin die Müdigkeit nicht an. Im Fernsehen sieht man sie alle paar Stunden. Sie kommuniziert dann jeweils auch die Zahl der Todesopfer aus Amatrice und Accumoli, aus Arquata und Pescara del Tronto. Es sind traurige Updates.

Seit die vier mittelitalienischen Dörfer am vergangenen Mittwoch um 3.36 Uhr in der Früh von einem starken Erdbeben getroffen wurden, steht Immacolata Postiglione, die alle nur "Titti" rufen, im Dauereinsatz. Als oberste Krisenmanagerin des nationalen Zivilschutzes ist sie das Gesicht der Hilfe. Es ist ein zierliches Gesicht mit großen Augen. Beim Reden mit den Medien beugt sie sich oft nach vorne und formt mit den Händen Gesten. Es gab nämlich schon Missverständnisse, falsche Zitate, und das ist ärgerlich. Ihre Aufgabe ist schon schwierig genug. Zum Beispiel muss sie nun netten Menschen, die Nahrungsmittel und Kleider spenden, möglichst diplomatisch und doch deutlich beibringen, dass viel mehr davon gespendet wurde als nötig. Zu viel Hilfe behindert die Hilfe.

Promotion in Geophysik und Vulkanologie

Die Italiener kennen "Titti" nur im dunkelblauen Poloshirt mit dem italienischen Nationalwappen am linken Ärmel, der Uniform der Protezione Civile. Da wollte sie immer hin. Postiglione war neun Jahre alt, als sich in Süditalien, wo sie herkommt, ein schlimmes Erdbeben ereignete. 2914 Menschen kamen um. Auch in ihrer Geburtsstadt Salerno bebte die Erde bedrohlich. Doch das Haus, in dem die Familie Postiglione lebte, überstand das Erdbeben. Es sei eben gut gebaut gewesen, sagte sie der Zeitung La Repubblica. "Damals lernte ich, dass Prävention alles ist." Diese Erkenntnis ist in Italien nicht weit verbreitet.

Immacolata Postiglione studierte Geologie in Neapel, promovierte in Geophysik und Vulkanologie. Die Fachrichtung passt gut nach Neapel. Wenn die Italiener jeweils mit einer Entlehnung aus dem Englischen vor dem "Big One" warnen, der ganz großen Katastrophe, dann meinen sie das Erwachen und Eruptieren des Vesuvs. Nicht auszudenken, was dann passieren würde. Das Bild der dicht besiedelten Hänge des Vulkans wirkt wie ein Hohn auf das Prinzip der Vorbeugung - wie ein groteskes Symbol dafür, wie sorglos die Italiener mit den gefährlichen Launen der Natur umgehen.

Postiglione nahm während ihrer Karriere auch schon an humanitären Operationen in Indonesien, im Sudan und in Pakistan teil. Sie sagt, die Expertise des italienischen Zivilschutzes werde überall hoch geschätzt. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, mit welcher Frequenz sie beansprucht wird.

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