Süddeutsche Zeitung

Bundesgerichtshof:Wie Marlies Krämer für die weibliche Anrede kämpft

  • Marlies Krämer will die Sparkasse Saarbrücken dazu verpflichten, in ihren Formularen nicht ausschließlich von "Kunden" und "Kontoinhabern" zu sprechen, sondern auch von "Kundinnen" und "Kontoinhaberinnen".
  • Wie der BGH mit der Frage umgehen wird, ist offen. Amts- und Landgericht Saarbrücken hatten die Klage abgewiesen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Würde man behaupten, hier kämpfe David gegen Goliath, dann säße man bereits in der Falle der Geschlechterklischees. Gewiss, die Ausgangsposition wirkt ähnlich ungleich wie im biblischen Kampf, aber wenn man schon das Vergleichsszenario heranzieht, dann müsste man es mit Davida besetzen: Marlies Krämer, 80 Jahre alt, will die Sparkasse Saarbrücken dazu verpflichten, in ihren Formularen nicht ausschließlich von "Kunden" und "Kontoinhabern" zu sprechen, sondern auch von Kontoinhaberinnen und von Kundinnen.

Wenigstens dann, wenn die Sparkasse mit ihr korrespondiert, die nun mal Kundin ist und nicht Kunde. Sie hat es weit gebracht mit ihrer Forderung: An diesem Dienstag verhandelt darüber der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, ein Urteil wird noch nicht erwartet.

Wer nun glaubt, nichts wäre den Banken und Sparkassen willkommener, als im härter gewordenen Kampf um Kunden und eben auch um Kundinnen ihren Formularen ein geschlechterübergreifend ansprechendes Gepräge zu geben, der sieht sich getäuscht.

"Generisches Maskulinum"

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband erläutert vielmehr stellvertretend für die deutsche Kreditwirtschaft, warum man am "generischen Maskulinum" festhalte, also an der verallgemeinernden Form, die grammatisch zwar eindeutig männlich ist, aber nach herkömmlichen (inzwischen freilich umstrittenen) Verständnis alle umfassen soll.

Sehr lustig wirkt dabei der Einwand des Verbandes, mit der Nennung beider Geschlechter werde alles noch komplizierter. Wer die Geschäftsbedingungen der Sparkasse zum, sagen wir, Pfandrecht an Rentenanteilsscheinen, zum Inkasso im Einzugsgeschäft oder zum Nachsicherungsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen begriffen hat, der dürfte nicht an der doppelten Nennung von Darlehensnehmerinnen und Darlehensnehmern scheitern.

Eher listig klingt das zweite Argument: Die männlich-weibliche Schreibweise werde der aktuellen Diskussion ohnehin nicht mehr gerecht, weil das Bundesverfassungsgericht inzwischen das "dritte Geschlecht" anerkannt habe. Im direkten Umgang jedoch - so versichert der Verband - spreche man die Kunden geschlechtsspezifisch an.

Wie der BGH damit umgehen wird, ist offen. Amts- und Landgericht Saarbrücken hatten die Klage abgewiesen. Die Argumentation des Landgerichts klingt freilich arg traditionell. Das "generische Maskulinum" werde nun mal geschlechtsneutral, verwendet, das sei schon seit 2000 Jahren so.

"Historisch gewachsene Übereinkunft"

Es handle sich insoweit "um nichts weiter als die historisch gewachsene Übereinkunft über die Regeln der Kommunikation" - und nicht etwa um Diskriminierung. Mit der Verwendung der Vordrucke und Formulare gehe "weder eine Herabwürdigung der Person der Klägerin noch eine Benachteiligung im geschäftlichen Verkehr einher".

Keine Benachteiligung? In der Wissenschaft finden sich längst zahllose Studien zur Verwendung ausschließlich männlicher Schreibweisen. Männlich gefasste Stellenausschreibungen halten danach Frauen von Bewerbungen ab. Und bereits im Kindesalter entwickeln sich geschlechtsspezifische Berufswahrnehmungen, wenn immer nur von Ingenieuren die Rede ist und nie von Ingenieurinnen.

Andere Untersuchungen zeigen, dass auf die Frage nach dem Lieblingsmusiker oder Lieblingssportler eben vor allem Männer genannt werden, wohingegen die Nennung beider Geschlechter oder die geschlechtsneutrale Formulierung ausgewogenere Antworten hervorbringt. Natürlich ist es schwer zu beurteilen, was dies nun für das Formularwesen der Sparkassen bedeutet. Aber dass das generische Maskulinum gar keine Wirkung auf die Wahrnehmung des Geschlechterverhältnisses habe, lässt sich wohl kaum behaupten.

Marlies Krämer jedenfalls gab dem Gericht zu Protokoll, sie fühle sich durch die Verwendung der ausschließlich männlichen Form gleichsam totgeschwiegen. Oder, wenn man so will, "geschlechtsumgewandelt".

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Quelle:
SZ vom 20.02.2018/hgn
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