Entführungsfall Jaycee Lee Dugard:Polizei entschuldigt sich

Im Fall der vor 18 Jahren entführten Jaycee Lee Dugard hat die Polizei schwere Ermittlungsfehler eingeräumt. Ihr Stiefvater erzählt indes von Schuldgefühlen, die die junge Frau quälen.

Im Entführungsfall Jaycee Lee Dugard hat die Polizei schwere Ermittlungsfehler eingeräumt. Die Behörden in Antioch nahe San Francisco hätten Phillip Garrido und seine Frau Nancy, die 1991 das elfjährige Mädchen verschleppt haben sollen, schon früher entdecken können.

Jaycee Lee Dugard; AP

Jaycee Lee Dugard wurde 1991 als Elfjährige entführt.

(Foto: Foto: AP)

Obwohl Bewährungshelfer den vorbestraften Sexualstraftäter mehrfach zu Hause kontrollierten, wurden sie nicht auf das Versteck im Hinterhof des Anwesens aufmerksam. 2006 hatte eine misstrauische Nachbarin sogar den Notruf gewählt, doch die Polizei rückte unverrichteter Dinge wieder ab. "Wir haben eine Gelegenheit verpasst, früher einzugreifen", gab Sheriff Warren Rupf Reportern zu Protokoll.

Der 58-jährige Phillip Garrido und seine 54-jährige Frau Nancy plädierten vor dem Gericht im Bezirk El Dorado auf nicht schuldig. Dabei äußerten sie sich jedoch nicht selbst, sondern ließen die Erklärung durch ihre Pflichtverteidiger verlesen. Die Ehefrau schluchzte während der Anhörung, ihr Mann zeigte keine Regung. Die Anklageschrift umfasst nach Angaben der Justiz insgesamt 29 Punkte. Eine zweite Anhörung ist für den 14. September angesetzt.

Garrido, der Dugard jahrelang in einem Hinterhof-Verschlag in Antioch rund 70 Kilometer östlich von San Francisco gefangen gehalten hatte, zeugte mit Dugard zwei Kinder, die heute elf und 15 Jahre alt sind. Bei ihm handelt es sich um einen verurteilten Sexualstraftäter, der nach einer 1971 begangenen Entführung mit Vergewaltigung auf Bewährung frei war.

Lokalen Medienangaben zufolge durchsuchte die Polizei am Freitag das Haus des mutmaßlichen Kidnappers. Dabei werde auch im Zusammenhang mit ungeklärten Morden an zehn Prostituierten gegen Garrido ermittelt, berichtete die Zeitung The Sacramento Bay unter Berufung auf Polizeiangaben. Die Leichen der Frauen seien in den 1990er-Jahren in einem Industriegebiet gefunden worden, in dem Garrido gearbeitet hatte.

Treffen mit der Mutter

Dugards Stiefvater Carl Probyn, vor dessen Augen die damals Elfjährige 1991 entführt worden war, sagte, sie habe mittlerweile ihre Mutter getroffen. Seine Stieftochter fühle sich "schuldig, weil sie eine so enge Verbindung" zu ihrem Entführer aufgebaut habe, sagte Probyn.

Garrido war der Polizei am Dienstag aufgefallen, als er an der Universität von Berkeley religiöse Schriften verteilte. Sein Bewährungshelfer bestellte den Mann daraufhin zu einem Treffen, zu dem dieser eine gewisse "Allissa" mitbrachte. Da der Bewährungshelfer diese in Garridos Haus nie gesehen hatte, ordnete er Ermittlungen an. Dabei stellte sich heraus, dass es sich bei "Allissa" um die seit fast zwei Jahrzehnten vermisste Jaycee Dugard handelte.

"Gruseliger Phil"

Die Ermittlungspannen der Polizei begannen nach einem Bericht der Zeitung The Reno Gazette-Journal schon 1993 - zwei Jahre nach der Entführung von Jaycee. Damals musste Garrido eine viermonatige Haftstrafe verbüßen, weil er gegen Bewährungsauflagen verstoßen hatte, doch sein Haus wurde offensichtlich nicht genau durchsucht. Garrido verbüßte von 1977 bis 1988 eine Haftstrafe wegen Entführung und eines Sexualdelikts. In Reno (Nevada) hatte der damals 25-Jährige eine junge Frau in einem Schuppen eingeschlossen und vergewaltigt.

Ursprünglich war er zu 50 Jahren Haft verurteilt wurden, kam aber nach 11 Jahren auf Bewährung frei. Seine Frau Nancy lernte er damals kennen, als sie einen Mitgefangenen besuchte.

2006 alarmierte dann eine Nachbarin die Polizei. Sie beschrieb Garrido als "Psycho" und berichtete von den Kindern, die in Zelten lebten. Diesem Tipp hätte man mit mehr Nachdruck nachgehen sollen, so Sheriff Rupf. Ein Beamter habe damals mit Garrido in dessen Vorgarten gesprochen, aber nicht das Haus durchsucht. Der Ermittler wusste angeblich nicht, dass der Hausbesitzer bereits ein Vorstrafenregister als Sexualverbrecher hatte.

In der Nachbarschaft hatte Phillip Garrido den Spitznamen "gruseliger Phil" weg. Die Anwohner in dem ländlichen Vorort sahen den Mann als religiösen Spinner an, nicht aber als Entführer und Kinderschänder. Kathy Russo, deren Elternhaus an das Grundstück Garrdios angrenzt, sagte dem Sender KCBS, dass sie keine Ahnung davon hatte, was sich in dem Haus abspielte. "Es ist so traurig, wie diese Kinder leiden mussten, während wir nebenan beim Grillen und Feiern Spaß hatten."

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