Süddeutsche Zeitung

Entführte in der Wüste:Aufenthaltsort der Geiseln aufgespürt

Sudanesische Sicherheitskräfte haben den Ort bestimmt, an dem die 19 Geiseln in der Wüste festgehalten werden. Eingreifen will die Regierung aber nicht.

Das Schicksal von elf in Ägypten verschleppten europäischen Touristen und ihren acht einheimischen Begleitern ist weiter unklar. Berichte über eine angebliche Freilassung der Geiseln stellten sich am Dienstag als falsch heraus. Unter Berufung auf den Sprecher des Außenministeriums hatte die ägyptische Nachrichtenagentur Mena in der Nacht zum Dienstag gemeldet, die Reisegruppe sei wieder auf freiem Fuß. Diese dem Außenminister Ahmed Abdul Gheit zugeschriebene Äußerung sei "ungenau" gewesen, korrigierte das ägyptische Außenministerium nun. Die Lage sei vielmehr "unverändert". Auch das Auswärtige Amt in Berlin hatte keine Informationen über ein Ende der Geiselnahme. "Wir gehen weiterhin von einer Verschleppung aus", sagte eine Sprecherin am Dienstagmorgen.

Unterdessen haben die Entführer nach Angaben von ägyptischen Behördenvertretern mit der Tötung der Geiseln gedroht. Damit wollten sie verhindern, dass die Gruppe per Flugzeug gesucht werde, hieß es am Dienstag. Das Außenministerium des Nachbarlands Sudan teilte aber mit, ihren Aufenthaltsort zu kennen.

Die Entführten würden im Nordwesten des Sudan, etwa 25 Kilometer von der ägyptischen Grenze, festgehalten. "Der Aufenthaltsort der Entführer ist genau lokalisiert worden", sagte der Staatsminister im sudanesischen Außenministerium, Mutrif Siddig. Die Behörden planten aber nichts, was das Leben der Geiseln gefährden könne. Das Vorgehen werde mit den ägyptischen Stellen abgestimmt.

Die deutschen und ägyptischen Behörden bemühten sich weiterhin um die Freilassung. Dabei hat die Bundesregierung nach Angaben aus Kairo mit den Entführern auch Verhandlungen über ein Lösegeld aufgenommen. Dem ägyptischen Tourismusminister Soheir Garana zufolge fordern die Entführer bis zu sechs Millionen Dollar. Die Nachrichtenagentur Mena nannte eine Summe von bis zu 15 Millionen Dollar. Ägypten selbst sei nicht an den Gesprächen mit den Entführern beteiligt.

Die elf europäischen Touristen und acht Ägypter wurden bereits am Freitag in der südägyptischen Wüste nahe der Grenze zum Sudan verschleppt. In ägyptischen Medienberichten war von vier bewaffneten Angreifern die Rede. Zwei der fünf in Ägypten verschleppten Deutschen kommen nach Angaben der Nachrichtenagenutr AP offenbar aus Baden-Württemberg. Neben den Deutschen handelte es sich bei den Europäern um fünf Italiener und einen Rumänin. Zwei der Italiener sind über 70 Jahre alt, einer 68. Sie sollten nach Angaben des italienischen Veranstalters, der die Tour für die Italiener bei einem ägyptischen Reiseanbieter gebucht hatte, ursprünglich am Sonntag nach Hause fliegen. Die Behörden erfuhren von der Geiselnahme, weil der Reiseveranstalter, der unter den Entführten ist, seine deutsche Frau mit einem Satellitentelefon angerufen hatte und über die Lösegeldforderungen berichtete. Nach Angaben des italienischen Außenministeriums rief der Reiseveranstalter am Montagabend erneut an und berichtete, die verschleppte Gruppe sei in den Sudan gebracht worden.

Reisewarnung für Südwesten

Nach Angaben der ägyptischen Regierung handelte es sich bei den Tätern um Kriminelle; einen terroristischen Hintergrund schloss Kairo aus. In der Region aktive sudanesische Rebellengruppen wiesen eine Verwicklung in die Entführung zurück. "Wir haben nichts zu tun mit irgendeinem Kidnapping", sagte ein Sprecher der Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit. Auch die Rebellenorganisation Sudanesische Befreiungsarmee erklärte, sie habe mit dem kriminellen Akt gegen die Touristen nichts zu tun.

Die Reisegruppe war in der abgelegenen Wüstenregion Gilf Kebir unterwegs, knapp 900 Kilometer südlich von Kairo. Die Wüstenebene zieht seit einigen Jahren immer mehr Reisende an. Berühmt ist die Gegend auch wegen der "Höhle der Schwimmer" mit ihren prähistorischen Zeichnungen, die durch den Film "Der englische Patient" bekannt wurden.

Das Auswärtige Amt rät in seinen Reisehinweisen "dringend von Reisen in die Wüstengebiete im Südwesten Ägyptens ab". In den nordafrikanischen, an die Sahara grenzenden Ländern wachse die Gefahr des Terrorismus. Touristen brauchen für den Besuch des Gebiets eine Sondergenehmigung des Militärs und müssen mit einer Reisegruppe unterwegs sein. Eine Rundtour durch die Wüstenlandschaft, in der es zahlreiche Höhlen mit jahrtausendealten Felsmalereien gibt, kann mit einem Allradfahrzeug mehr als zwölf Tage in Anspruch nehmen.

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