Energie-Gewinnung:Heizen mit Weizen

Landwirt Franz Pentenrieder verfeuert Getreide im eigenen Kraftwerk, die Politik unterstützt die umstrittene Energie.

Claudia Fromme

Bei Franz Pentenrieder in Wangen bei Starnberg ist alles ein wenig anders. Der alte Kälberstall zum Beispiel. Fährt man auf Pentenrieders Hof, fällt das Gebäude mit seinen kleinen Fenstern nicht weiter auf.

Weizenfeld; dpa

Ein Weizenfeld kurz vor der Ernte

(Foto: Foto: dpa)

Ein Stall auf einem Hof eben. Drinnen aber hat sich der Landwirt ein schickes Schwimmbad eingebaut, mit mediterranen Fliesen und Wasser, das angenehme 27,5 Grad warm ist. Oder der Futtersilo.

Von außen sieht er aus wie ein gewöhnlicher Turm für Silage. Innen aber summt ein Heizkraftwerk, mit dem Pentenrieder das 400 Quadratmeter große Haus warm hält - und das Wasser im Pool. Allerdings ist auch der Kessel anders als andere, auch wenn er wie eine normale Ölheizung aussieht. Pentenrieder heizt mit Getreide.

Die Rechnung ist einfach

Im Jahr verbrennt der Landwirt 25 Tonnen, ein Viertel seines Getreides. Den Rest verkauft er; bis auf ein paar Schafe hat er keine Tier mehr. Seine Rechnung ist einfach: Ein Liter Heizöl kostet 60 Cent, 2,5 Kilo Getreide 25 Cent. Beide haben den selben Brennwert. "Wer da mit Öl heizt, ist dumm", sagt Pentenrieder.

Oder mit Pellets, dieses gepresste Sägemehl, das seit dem massiven Preisanstieg bei Erdöl boomt. Getreide koste nicht mal die Hälfte. "Weizen ist billiger als Sägemehl, das ist Wahnsinn", ruft er. Der Wahnsinn ist Folge der Überproduktion. Nicht Unternehmergeist oder die 3000 Euro, die er im Jahr einspare, haben ihn zum Kornheizer gemacht, sondern seine Wut, sagt er.

Noch feuert Pentenrieder mit Sondergenehmigung, denn Getreide ist als Brennstoff nicht zugelassen. Doch das wird sich ändern. Die Umweltminister der Länder und der Bundesumweltminister haben sich vergangene Woche bei ihrer Frühjahrstagung darauf verständigt, die Getreideverbrennung in Kleinbefeuerungsanlagen zu erlauben.

Sie kommen, keine Frage

Nun wird in Berlin geprüft, wie der Beschluss der Umweltministerkonferenz umgesetzt werden kann. "Die Getreidebrenner kommen, keine Frage", sagt ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. Vielleicht noch in diesem Jahr, heißt es in der Behörde. Vorher gebe es aber noch viele Fragen zu klären.

Ethische in erster Linie. "Dürfen wir Lebensmittel verbrennen, während anderswo auf der Welt Menschen hungern?", fragt etwa Jochen Donner von der Welthungerhilfe. Die katholische Kirche meldet Bedenken an, auch der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland ist "entsetzt" über den Beschluss der UMK.

"Getreide steht für Brot und Brot steht für Leben. Dass das verheizt wird, ist unfassbar", sagt Nikolaus Schneider. Die industrielle Landwirtschaft produziere Lebensmittel auf unsinnige Weise, und die Getreideverbrennung sei ein weiterer Schritt, den Unsinn zu stabilisieren. Wenn es sich bei der Verbrennung um Getreide handeln würde, das weder als Lebensmittel noch als Viehfutter dienen kann, weil es etwa verschimmelt ist, fände er den Gedanken "erträglicher", aber immer noch "bedrückend".

Ethik und Emissionen

Franz Pentenrieder sagt, dass er das alles verstehen kann. Aber es sei nunmal auch so, dass überhaupt keiner Bedenken habe, Rapsöl statt auf den Salat in den Tank zu kippen.

Brotgetreide nicht zu verfeuern, dafür sprechen sich eine Reihe von Bundesländern aus, für das Verheizen von unverwertbarem Getreide fast alle. In Müllverbrennungsanlagen entsorgen Bauern ihr Korn ohnehin schon, nun geht es um Anlagen mit einer Leistung unter 100 Kilowatt.

Dass Privathaushalte bald Bauern Getreide abkaufen dürfen, um selbst damit zu heizen, gilt als unwahrscheinlich. Eher bleibt es denen vorbehalten, die Getreide anbauen oder verarbeiten.

Der Bauernverband wird nicht müde zu betonen, dass Getreide als kohlendioxid-neutraler Brennstoff zum Klimaschutz beitragen kann. Und Milan Nitzschke vom Bund Erneuerbare Energien sagt: "Da fossile Rohstoffe immer knapper werden, drängt sich Getreide für die Energiegewinnung auf."

Heizen mit Weizen

Aber da sei noch die Sache mit der Technik. Lange galten Getreidebrenner als Dreckschleudern. Auch die neue Generation kämpft mit den Tücken des Energieträgers, sagt Thomas Hering von der Thüringischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Er macht seit Jahren Versuche mit Getreidebrennern.

Ein Problem sei die Schlacke, die sich beim Verbrennen bilde und den Ofen verstopfe. Was dazu führe, dass der Schadstoffausstoß steige. Das sei in den Griff zu bekommen. Ein Argument gegen Getreideheizungen sei der hohe Stickoxidausstoß. Wenn mit der Novellierung der Bundesimmissionsschutz-Verordnung Getreide als Brennstoff erlaubt würde, die Grenzwerte für Stickoxide aber gesenkt würden, sei es unmöglich, sie einzuhalten. Die Erlaubnis würde zum Verbot.

Ofenrohr und Gurkenglas

Franz Pentenrieder hat für alles eine Lösung. Auf den Kessel aus Dänemark - dort wird bereits in 15.000 Biomasseanlagen Getreide verfeuert - hat er sich Filter aus Ofenrohren, Alufolie und einem Gurkenglas gebaut. Damit hat er es geschafft, die Grenzwerte von Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, die als einzige Länder Sondergenehmigungen erteilen, zu unterbieten.

Die Behörden haben nachgemessen. Kein auf dem Markt befindlicher Getreidebrenner schaffe seine Werte, sagt Pentenrieder. Teile seiner Anlage hat er zum Gebrauchsmusterschutz angemeldet. 15.000 Euro hat der Landwirt in die Anlage investiert. In der Branche gilt er als interessanter Bastler.

Vor sechs Jahren hat er die Internetseite getreideheizung.de gestartet. Dafür, dass es offiziell nur ein paar Dutzend Getreideheizer in Deutschland gibt, herrscht im Forum reger Verkehr. Fast alle User schreiben anonym. Meist geht es um Basteltipps für den eigenen Ofen.

Manche rufen ihn auch direkt an, sagt Pentenrieder. Etwa der aus Schleswig-Holstein vor ein paar Tagen. "Wie weit bist du mit dem Filter, ich brauche den für meine Anlage?", habe der Anrufer ihn gefragt. In Schleswig-Holstein steht offiziell keine einzige Getreideheizung. Auf fast 10.000 schätzen manche Hersteller und Forscher die Zahl illegaler Anlagen in Deutschland.

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