Elefantenkuh Kenia:Von wegen Freunde

Ausgebüxter Zirkus-Elefant spazierte durch Wohnviertel

Zirkusdirektorin Jana Lacey-Krone füttert Elefantendame Kenia auf dem Gelände des Zirkus Krone.

(Foto: dpa)

Die meisten finden Elefanten nett. Dabei sollte man sie lieber fürchten: Kein Zootier hat so viele Pfleger auf dem Gewissen.

Von Julia Huber

Elefanten gelten als freundliche Artgenossen. Benjamin Blümchen, der sprechende Elefant mit Latzhose, organisiert eine Geburtstagsparty für seinen besten Freund, den Menschenjungen Otto. Der Dickhäuter Dumbo stellt für sich selbst die größte Gefahr dar, wenn er über seine Segelohren stolpert. Glaubt man Kinderserien, dann sind Elefanten gemütlich, tollpatschig und gutmütig. Eigenschaften, die sie sofort sympathisch machen.

So sahen das offenbar auch die Bewohner von Neuwied in Rheinland-Pfalz. Dort brach am Mittwoch die Afrikanische Elefantenkuh Kenia aus dem Zirkus aus. Das Tier hatte laut Polizei den Elektrozaun seines Geheges zerrissen. Während der Elefant mit wedelndem Schwanz und wackelnden Ohren durch ein Wohngebiet trottete, kamen die Neuwieder aus ihren Häusern. Manche begleiteten den Elefanten auf seinem Ausflug durch den Stadtteil Heddesdorf. Andere zückten die Handys und filmten das entlaufene Tier. Von Angst keine Spur.

"In unserer Vorstellung sind Mensch und Elefant gute Freunde, ein eingespieltes Team", sagt Wiebke Reinert. Sie forscht an der Universität Kassel zum Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Ob im Zirkus, im Zoo, in Tier-Dokus oder auf Youtube: Immer ist ein harmonisches Mensch-Elefant-Duo zu sehen, das einen Trick vorführt oder gemeinsam seinen Alltag meistert. Dass die bis zu vier Meter hohen und bis zu sieben Tonnen schweren Tiere allein von ihrer Statur her eine Gefahr sein können, wird eher nicht erwähnt. Reinert sagt: "Die Elefanten werden völlig verharmlost."

Kein Tier im Zoo hat so viele Pfleger auf dem Gewissen wie der Elefant. Im Februar 2005 rammte der junge Elefant Abu seinen Pfleger im Wiener Tierpark mit seinen Stoßzähnen, sodass dieser später an seinen Verletzungen starb. Im Oktober 2013 tötete die Elefantenkuh "Patience" im Dickerson Park Zoo im amerikanischen Springfield ihren Pfleger John Bradford. Der Mann hatte zuvor 25 Jahre als Elefantenmanager in dem Zoo gearbeitet. Und im September 2014 wurde James Laurita, Tierarzt und Gründer der US-Organisation "Hope Elephants", tot im Elefantengehege gefunden, nachdem eine Elefantenkuh ihm einen Schlag gegen den Brustkorb verpasst hatte. All diese Unfälle sind auf der Homepage der Organisation "Elefanten-Schutz Europa" aufgeführt. Die Liste geht nur bis ins Jahr 2016, doch sie zählt allein seit 1982 mehr als 90 Angriffe.

"Elefanten sind und bleiben nun einmal Wildtiere", sagt Julia Kögler, stellvertretende Geschäftsführerin im Verband der Zoologischen Gärten. "In einer solchen Stresssituation können sie unberechenbar reagieren."

Vielleicht lag es an der unbekümmert-lässigen Gangart der Elefantenkuh Kenia, dass in Neuwied niemand Angst hatte. Für Kögler ist dennoch nicht nachvollziehbar, warum die Anwohner eher noch die Nähe des Tiers suchten. Sie sagt: "Was, wenn ein Wolf die Straße entlanggelaufen wäre? Vor dem hätten die Menschen wahrscheinlich Respekt gehabt."

Gut einen Kilometer vom Zirkus entfernt fand Kenias Spaziergang ein schnelles Ende. Nachdem der Elefant zielstrebig über eine Bundesstraße marschiert war, fingen die Tierpfleger ihn wieder ein und brachten ihn in den Zirkus zurück. Eine Polizeisprecherin sagte später, der Elefant habe einen kurzen und friedlichen Ausflug gemacht. In einem der Twitter-Videos ist zu hören, wie ein Anwohner dem Elefanten noch ein Luftküsschen zum Abschied zuwirft.

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