SZ-Serie "Ein Anruf bei...":"Deine Mutter ist Salvadorianerin? Großartig!"

SZ-Serie "Ein Anruf bei...": Hugo Alvarado, 37, ist in El Salvador geboren und mit neun in die USA gezogen. Er arbeitet für eine Nonprofit-Organisation in Los Angeles - und hat ein sehr zeitintensives Hobby.

Hugo Alvarado, 37, ist in El Salvador geboren und mit neun in die USA gezogen. Er arbeitet für eine Nonprofit-Organisation in Los Angeles - und hat ein sehr zeitintensives Hobby.

(Foto: privat)

Fußballfan Hugo Alvarado war die Nationalelf seines Landes El Salvador nicht talentiert genug. Also suchte er im Internet selbst nach Spielern - und wurde fündig.

Interview von Moritz Geier

Die Nationalelf des kleinen mittelamerikanischen Landes El Salvador (6,5 Millionen Einwohner) ist nicht gerade erfolgreich. 1982 war sie das letzte Mal bei einer WM dabei. Also fing Fußballfan Hugo Alvarado, 37, US-Amerikaner salvadorianischer Herkunft, vor zehn Jahren damit an, im Internet nach Spielern zu suchen, die im Heimatland niemand kannte, die aber für El Salvador spielen könnten, weil sie Eltern oder Großeltern haben, die dort geboren sind. Darüber schrieb er auf seiner Webseite. Bald wurden Zeitungen aus der Heimat aufmerksam, dann die Trainer der Selecta, wie die Nationalelf genannt wird. Heute sind acht Spieler im Team, die Alvarado gewissermaßen entdeckt hat - als Belohnung wurde er kürzlich offiziell zum Scout ernannt.

SZ: Herr Alvarado, wie findet man zukünftige salvadorianische Nationalspieler im Internet?

Hugo Alvarado: Einfach mit Google. Ich habe zum Beispiel die Stichworte "Fußballer" und "salvadorianische Mutter" in verschiedenen Sprachen eingegeben. Und wenn ich jemanden gesehen habe, der salvadorianisch aussah oder einen salvadorianischen Namen hatte wie etwa Rivas, habe ich ihn mir genauer angesehen.

Und dann?

Dann habe ich ihn kontaktiert.

Wussten Sie denn überhaupt, ob er gut genug ist?

Ich hatte ja ein paar Filter bei meiner Suche: Junge Spieler müssen in einem US-College-Team spielen oder in der Nachwuchsakademie eines professionellen Vereins. Das garantiert eine gewisse Qualität. Und ich habe mir schon auch mein eigenes Bild gemacht.

Ein Beispiel, bitte.

Eriq Zavaleta, er spielt für Toronto FC in der US-Profiliga MLS. In meinen Scouting-Berichten habe ich immer geschrieben: Er ist zwar Innenverteidiger, aber er ist gefährlich vorne. Der kann angreifen! Ein Kopfballungeheuer! Wissen Sie, er war in seiner Jugend Stürmer. Jahrelang habe ich ihn auf meiner Seite beworben, vor drei Monaten hat er endlich sein Debüt gegeben. Es stand 0:0, und dann kommt Eriq und macht ein Kopfballtor.

Das alte Lied: Solche Geschichten schreibt nur der Fußball.

Oh ja, und ich war sehr stolz. Schon bei der Nationalhymne. Zavaleta spricht gar kein Spanisch, aber er singt die Hymne mit!

Gibt es in El Salvador keine Talente?

Die Infrastruktur ist nicht gut. Die Plätze sind schlecht, Gehälter werden unregelmäßig gezahlt. Nachwuchsfußballer können ihr Potenzial dort nicht ausschöpfen.

Und wie begeistern Sie Spieler, die Sie entdeckt haben, für die Nationalelf?

Ich versuche mich mit ihnen anzufreunden. Schreibe sie zum Beispiel auf Facebook an. Deine Mutter ist aus El Salvador? Großartig! Was weißt du über El Salvador? Ihr esst Pupusas jedes Wochenende? Toll!

Ein salvadorianisches Gericht?

Genau. Und dann bleiben wir in Kontakt, es kann Jahre dauern, bis es zu einem Länderspiel kommt. Ich bin ja lange nur ein Fan gewesen, kein Repräsentant des Verbandes. Ich habe sozusagen nur den Samen in den Boden gesetzt. Erst seit Kurzem haben wir einen Nationaltrainer, der total offen ist für meine Vorschläge.

Verraten Sie uns doch mal, welcher Fund Ihr größter Coup ist.

Enrico Dueñas Hernández. Halb finnisch, halb salvadorianisch, in den Niederlanden geboren, 20 Jahre alt. Momentan der Spieler mit dem größten Potenzial. Er hat mir erst nicht geantwortet. Ich habe dann Leute aus seiner Freundesliste angeschrieben, aber keiner reagierte. Dann habe ich jemanden gefunden mit dem gleichen Nachnamen: seine Schwester. Sie hat mir geschrieben, dass ihr Vater Salvadorianer ist. Und ich: Dein Bruder muss mich sofort zurückrufen! Er war dann schnell interessiert. Ich habe ihm geholfen, seinen Reisepass zu bekommen. Gegen Panama vor ein paar Wochen hat er das Siegtor geschossen!

SZ-Serie "Ein Anruf bei...": Einige Spieler der Mannschaft El Salvadors hat Hugo Alvarado rekrutiert - Enrico Hernández etwa (links vorne), der in den Niederlanden spielt.

Einige Spieler der Mannschaft El Salvadors hat Hugo Alvarado rekrutiert - Enrico Hernández etwa (links vorne), der in den Niederlanden spielt.

(Foto: Moises Castillo/AP)

Fantastisch. Aber mal ehrlich: Wie viel Zeit haben Sie in den vergangenen Jahren vor dem Computer verbracht?

Puh, Stunden über Stunden. Ich habe ja nicht nur Spieler gesucht, sondern auch alle möglichen Informationen zusammengetragen: Position, Körpergröße, Gewicht, Highlight-Videos, solche Sachen.

Und daneben hatten Sie auch noch einen Vollzeitjob.

Den habe ich noch immer.

Aber Sie sind doch jetzt ganz offiziell Scout.

Ja, das ist die Sache. Und ich schäme mich nicht, es zu sagen: Ich arbeite auf freiwilliger Basis. Ich werde nicht bezahlt. Ich mache das für den Salvadorianer in mir. Ich will die Selecta bei einer WM sehen, das ist mein großer Traum.

Woher kommt diese Hingabe?

Das hat schon angefangen, als ich noch ein Kind war. Mein Vater hat mich oft zu Freundschaftsspielen mitgenommen. Meistens haben wir verloren, und ich war ziemlich enttäuscht. Außerdem haben wir Salvadorianer hier in den USA eine große Nostalgie, was unsere Wurzeln angeht, ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit, einen sehr speziellen Stolz. Woher das kommt? Ich weiß es nicht. Vielleicht weil wir das kleinste Land Mittelamerikas sind, und immer der Underdog waren.

SZ-Serie "Ein Anruf bei...": Hugo Alvarado mit dem früheren salvadorianischen Nationalspieler Steve Purdy, der mal bei der zweiten Mannschaft von 1860 München gespielt hat.

Hugo Alvarado mit dem früheren salvadorianischen Nationalspieler Steve Purdy, der mal bei der zweiten Mannschaft von 1860 München gespielt hat.

(Foto: privat)

Sind Sie mit Spielern, die Sie rekrutiert haben, immer noch befreundet?

Klar, mit manchen sehr eng. Und kürzlich haben mir zwei erzählt, dass sie ohne mich nie die Chance bekommen hätten, gegen Spieler wie Messi oder Iniesta zu spielen. Einen großen Teil ihrer Karriere hätten sie mir zu verdanken. Da habe ich fast geweint.

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