Einsturz des Kölner Stadtarchivs:Offensichtliche Versäumnisse

Nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs steht die Frage im Mittelpunkt, wer für das Unglück verantwortlich ist. Jetzt stellt sich heraus: Bauherr und Baufirmen wussten von Risiken beim Kölner U-Bahn-Bau.

Dirk Graalmann

Die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) haben eingeräumt, über Änderungen beim Bau der Kölner Nord-Süd-Bahn im Bereich Waidmarkt unterrichtet gewesen zu sein. Die dortige Großbaustelle gilt als Ursache für den Zusammenbruch des angrenzenden Stadtarchivs am 3. März, bei dem zwei Menschen starben.

Einsturz des Kölner Stadtarchivs: In der Nähe der Unglücksstelle drücken Bürger ihren Ärger und ihre Zweifel aus

In der Nähe der Unglücksstelle drücken Bürger ihren Ärger und ihre Zweifel aus

(Foto: Foto: ddp)

Zugleich musste die KVB eingestehen, dass ihnen bekannt war, dass die dort tätige Arbeitsgemeinschaft (Arge) Süd - vertreten durch die Baufirmen Bilfinger Berger, Wayss & Freytag sowie Züblin - an der Unglücksstelle zusätzliche Brunnen installierte, um mehr Grundwasser abzupumpen.

Während der Bauarbeiten, teilte die KVB mit, sei erkannt worden, dass "der Boden offensichtlich wasserdurchlässiger war (...) als vorher berechnet". Der Einsatz zusätzlicher Brunnen sei von Arge wie KVB durch Sachverständige "mit Blick auf die Sicherheit überprüft" worden - und zwar "auch auf das Thema des Auftretens eines hydraulischen Grundbruchs."

Die Gefahr war also Bauherr wie auch Baufirmen bekannt. Dabei gilt Experten gerade das übermäßige Abpumpen von Grundwasser als Ursache für einen hydraulischen Grundbruch in der Baugrube, der den Zusammenbruch des Stadtarchivs verursacht haben könnte.

Es sei dabei, so die KVB, "offensichtlich versäumt worden", die notwendige wasserrechtliche Erlaubnis zur Erhöhung der Pumpleistung einzuholen. An der Unglückstelle waren bis zu 750 Kubikmeter Wasser pro Stunde abgepumpt worden - erlaubt waren 450.

Stadtverwaltung und Bezirksregierung liefern sich nun einen bizarren Streit um die Frage, wer von ihnen hätte kontrollieren müssen; und der KVB-Vorstand gibt sich ahnungslos: Man habe "erstmals am 12.März von der Brunnenproblematik erfahren", sagte KVB-Vorstandssprecher Jürgen Fenske im Hauptausschuss des Kölner Rates am Donnerstagabend. Man wusste auf KVB-Seite, dass mehr Wasser abgepumpt würde - nachhaltige Kontrollen aber wurden nicht durchgeführt.

Zudem gestand Fenske ein, dass an der Baustelle Waidmarkt auf Vorschlag der Baufirmen "mit dem Ziel der Kostensenkung" ein "Sonderverfahren" angewendet worden sei. Dabei wurde der Boden der Baugrube nicht mehr gesondert - etwa mittels Zement - gesichert, im Gegenzug dafür die Schlitzwände tiefer in die vermeintlich wasserundurchlässige Bodenschicht eingelassen. Wie tief die Schlitzwände verankert wurden, sagte die KVB jedoch nicht. Die "Vergleichbarkeit der Bauverfahren", so Fenske, sei aber durch "von der KVB eingesetzte, externe Sachverständige geprüft worden".

Der Kölner SPD-Fraktionschef Martin Börschel warf Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) derweil vor, dass es "im Rathaus eine durchgängig organisierte Nichtverantwortung" gäbe. Man müsse dringend den Eindruck korrigieren, "dass wir auf dem Weg in eine rheinische Bananenrepublik sind". Schramma seinerseits gestand ein, dass die Übergabe der Bauaufsicht an die KVB, die diese wiederum an private Firmen delegierte, "nicht glücklich" sei.

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