Süddeutsche Zeitung

Einsicht in die Steuerakte:Hitlers Schulden

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Nach Hitler, Frauenhelden, Hundefreund und Tagebuchverfasser beschäftigt uns nun Hitler, der Steuerhinterzieher.

Von Martin Zips

Immenstadt - Eigentlich könnte Herr Dubon ganz in Ruhe leben. Mit der Ehefrau aus dem Haus in Immenstadt auf die Alpenkette blicken und ab und zu die Abende des Rotary-Clubs besuchen. Aber Klaus-Dieter Dubon, 71, ehemaliger Notar und Steuerrechtsexperte, mag die Ruhe nicht. Für sein Leben gerne stöbert er in alten Akten, liest Geschichtsbücher, studiert Islamistik an der Münchner Universität. Derzeit im sechsten Semester.

Jüngst zeigte ihm sein Freund, der Zahnarzt, einen Artikel aus einer populärwissenschaftlichen Zeitschrift. In einem Nebensatz las Dubon hier, dass sich die Steuerakte Adolf Hitlers noch im Münchner Hauptstaatsarchiv befindet.

Hitlers Steuerakte! Dubon besorgte sich das Papier, recherchierte weiter und stellte fest: Hitler wurden im Dezember 1934, also genau vor 70 Jahren, immense Steuerschulden von 405.494,40 Reichsmark erlassen. Als Reichskanzler, so fand Dubon weiter heraus, hat Hitler kein einziges Mal Einkommenssteuer bezahlt.

405.494,40 Reichsmark sind alles andere als eine Kleinigkeit. Laut Dubon handelt es sich bei dem Betrag um das zehnfache Jahresgehalt eines gewöhnlichen Reichskanzlers.

Der Rentner erfuhr zudem, dass der damalige Präsident des Münchner Finanzamtes, Ludwig Mirre, die Niederschlagung der Steuerschuld Hitlers eigenhändig durchführte und sich dafür wiederum monatlich 2000 Reichsmark zusätzlichen Beamtenlohn einsteckte.

Später sei Mirre als Mitläufer verurteilt worden. "Er kam mit 100 Mark Sühnestrafe davon und durfte mit leicht gekürzten Bezügen in den Ruhestand wechseln", sagt Dubon.

Nach Hitler, dem Frauenhelden, dem Hundefreund und Tagebuchverfasser beschäftigt uns nun also Hitler, der Steuerhinterzieher. Mag auch die Bild-Zeitung gelegentlich behaupten, bei Hitler habe es sich um einen Transsexuellen oder einen Außerirdischen gehandelt, dank der Münchner Steuerakte ist jetzt erschreckend klar: Hitler war ein Mensch. Das macht den Fall interessant.

"Zwischen 1925 und 1932 war Hitler beim Münchner Finanzamt Ost als Schriftsteller erfasst", sagt Klaus-Dieter Dubon, der sich nach einem Bericht des örtlichen Anzeigenblattes vor Medienanfragen nun kaum retten kann. Das Amt sei auf den Österreicher aufmerksam geworden, weil sich dieser im Jahr 1925 für gut 20.000 Reichsmark, mehr als sein damaliger Jahresverdienst, ein angeblich mit einem Darlehen finanziertes Luxusauto angeschafft habe.

Dank des fatalen Bestsellers "Mein Kampf" soll Hitlers Einkommen 1930 bereits bei 50.000 Reichsmark gelegen haben.

"1933 strich ein Finanzbeamter in der Steuerakte die Berufsbezeichnung ,Schriftsteller' und schrieb mit der Hand ,Reichskanzler' daneben", sagt Dubon. Am 19.Dezember 1934 habe der Präsident des Finanzamtes alle Steuerbescheide an Hitler für nichtig erklärt. Alles ganz geheim.

Man wollte keine weiteren Begehrlichkeiten bei Nazi-Schergen wecken. Hitler stimmte der Befreiung naturgemäß zu. "Letztlich war damit alles wieder in Ordnung", sagt Dubon, einst Mitglied in der Hitlerjugend, längst überzeugter Demokrat. "So funktionieren Diktaturen eben."

Während Hitler Teile seines regulären Einkommens für Witwen von SS-Angehörigen spendete, zahlte er für die "Mein Kampf"-Tantiemen - 1933 sollen es mehr als 1,2 Millionen Reichsmark gewesen sein - nie wieder Steuern.

"Das Geld, das er für die Abbildung seines Konterfeis auf Briefmarken erhielt, blieb ebenfalls unversteuert. Ziemlich klar, dass Hitler so bald die 7,2 Millionen Reichsmark bezahlen konnte, mit denen er sich zehn Quadratkilometer Land am Obersalzberg bei Berchtesgaden kaufte", sagt Dubon. Und wer dem Führer kein Land verkaufen wollte, den enteignete eben die SS.

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Quelle:
SZ vom 17.12.2004
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