Einreise in die USA:Mein Konto, meine Kontakte, meine Mails

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Das Icon von Whatsapp auf einem Smartphone-Bildschirm. (Foto: Arno Burgi/dpa)

Wer für die USA künftig ein Visum haben möchte, muss alle Informationen offenlegen, die er auf sozialen Medien gesammelt hat. Egal, ob die Freunde das gut finden oder nicht.

Von Christian Zaschke, New York

Man stelle sich vor, es gäbe in einem westlichen Land eine Behörde, die verlangt, dass man seine sämtlichen Konten auf sozialen Medien der vergangenen fünf Jahre offenlegt, ebenso jedes E-Mail-Konto, das man in diesem Zeitraum benutzt hat, und jede Telefonnummer. Man kann sich eine solche Behörde problemlos in autoritären Staaten vorstellen, da gehört die möglichst komplette Überwachung der Menschen bekanntlich zum Inventar. Aber würde man in einem westlichen Land, in einer Demokratie, einer solchen Behörde nicht einen massiven Eingriff in die Privatsphäre vorwerfen? Würde man nicht von einem Überwachungsstaat sprechen?

Es gibt diese Behörde seit wenigen Tagen in einem westlichen Staat, es handelt sich um das amerikanische State Department, das Außenministerium. Der entsprechende Erlass, der just in Kraft getreten ist, gilt allerdings nicht für Amerikaner - er gilt für Menschen, die sich um ein Visum bewerben, um längerfristig in den USA zu leben und zu arbeiten. Das State Department teilt dazu mit: "Wir arbeiten permanent daran, Mechanismen zu finden, die unsere Prüfungsprozesse verbessern, um US-Bürger zu schützen und zugleich die legale Einreise in die Vereinigten Staaten zu ermöglichen."

14,7 Millionen Menschen betroffen

Die meisten europäischen Besucher der USA werden nicht betroffen sein. Wer zum Beispiel als Deutscher in den Vereinigten Staaten Urlaub machen will, braucht kein Visum. Es genügt, sich im Internet beim elektronischen Reisegenehmigungssystem (Esta) zu registrieren. Die Genehmigung gilt zwei Jahre, man darf sich insgesamt 90 Tage im Land aufhalten. Wer jedoch ein Visum beantragen möchte beziehungsweise zur Einreise beantragen muss, wird dem Ministerium künftig einen beträchtlichen Teil seiner sozialen Interaktionen zugänglich machen müssen. Das State Department schätzt, dass jährlich ungefähr 14,7 Millionen Menschen betroffen sein werden. Insgesamt reisen pro Jahr rund 77 Millionen Touristen in die USA ein.

Der O'Hare International Airport in Chicago: Hier reisen sehr viele Menschen in die USA ein. (Foto: Kamil Krzaczynski/Reuters)

Ein Visum zu beantragen, war auch bisher schon nicht ganz einfach. Zumindest war es mit einigem Aufwand verbunden. Man musste zum Beispiel seine sämtlichen Auslandsreisen und Adressen auflisten, was für ebenso reise- wie umzugslustige Menschen eine nervenaufreibende Aufgabe sein kann. Man brauchte Dokumente, Führungszeugnisse, Geburtsurkunden, schließlich führte man ein persönliches Interview mit einem Konsularbeamten, dem allein es oblag, dem Antrag stattzugeben oder nicht. Das war alles sehr gründlich, aber es wirkte im Wesentlichen nicht unangemessen. Es erscheint verständlich, dass ein Gastland zumindest eine ungefähre Idee von der Person haben will, die es über einen längeren Zeitraum beherbergt. Die neuen Regeln gehen allerdings einen Schritt weiter. Wer seine Interaktionen auf sozialen Medien offenlegt, wer seine E-Mails freigibt und seine Telefonnummern, der gibt in aller Regel nicht nur über sich selbst Auskunft, sondern auch über seine Bekannten und Freunde, über seine Familie, über den ganz engen Kreis. Der gibt überdies im Zweifel nicht bloß seine kulinarischen und sonstigen unerheblichen Vorlieben preis, sondern auch seine politischen.

Kaum Proteste dagegen

Protest gibt es bisher kaum in den USA. Manche Experten warnen davor, dass die Maßnahme vor allem dazu führe, dass Menschen sich in den sozialen Medien nicht mehr als die zeigten, die sie sind. Dass sie sich selbst zensierten, um bei einer möglichen Überprüfung nicht unangenehm aufzufallen. Die meisten Interaktionen sind ohnehin öffentlich, das ist ein wesentlicher Teil des Ganzen, es geht um Kommunikation. Aber dass eine staatliche Behörde gezielt die Konten überprüft, mithin bei vielen Menschen: die Verbindung zur Welt, das ist eine neue Kategorie.

Es gab diese Art der Überprüfung von Konten in sozialen Medien, von E-Mails und von Telefonen auch in der Vergangenheit, allerdings nur für Menschen, die in Teilen der Welt unterwegs waren, in denen Netzwerke oder Regime das Sagen haben, welche die amerikanischen Behörden als terroristisch einstufen. Nun gilt sie - mit wenigen Ausnahmen für Diplomaten und andere Offizielle - für alle.

© SZ vom 05.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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