Süddeutsche Zeitung

Ein Jahr Franziskus:Papst der kleinen Dinge

"Hallo, hier ist Papst Franziskus." Mehrere Menschen hatten im vergangenen Jahr plötzlich den Pontifex persönlich in der Leitung. Doch diese Anrufe waren nicht die einzigen ungewöhnlichen Aktionen im ersten Amtsjahr von Jorge Mario Bergoglio.

Ein Überblick von Jana Stegemann

Seit der umtriebige Argentinier Jorge Mario Bergoglio das Papstamt inne hat, beherrscht er die Schlagzeilen. Wie sieht ein typischer Tagesablauf bei ihm aus? Sein Wecker läutet demnach jeden Morgen um vier Uhr. "Bei so vielen Menschen, die ich am Tag sehen muss, ist dies der einzige Moment, in dem ich in Ruhe beten und nah bei Gott sein kann", sagt Franziskus. Um sieben Uhr hält er täglich eine Morgenmesse in der Hauskapelle der Residenz Santa Marta. Nur mittwochs nicht, dann findet auf dem Petersplatz die wöchentliche Generalaudienz statt.

Einen Computer hat der Papst nicht, seine Termine trägt er vor dem Frühstück um 9 Uhr handschriftlich in seinen Kalender ein. Pro Tag erreichen den Pontifex etwa 2000 Briefe. Die liest er nicht alle, aber regelmäßig eine Auswahl. Franziskus findet trotzdem noch Zeit für andere Dinge. Von Anrufen und Fußwaschungen - ein Überblick über die teils ungewöhnlichen päpstlichen Tätigkeiten im ersten Amtsjahr:

März 2013: Papst wäscht Strafgefangenen die Füße

An die "äußersten Ränder" müsse die Kirche gehen, dorthin, "wo Blut vergossen wird", fordert Papst Franziskus und nutzt den Beginn der Osterfeierlichkeiten, um eindringlich zu einer Neuorientierung der Kirche aufzurufen. Bei einer Messe in einem Jugendgefängnis setzt er selbst ein Zeichen und wäscht zwölf Häftlingen die Füße. Unter ihnen auch zwei Frauen: eine italienische Katholikin und eine serbische Muslimin. Dies war ein Bruch mit der Tradition, normalerweise nehmen keine Frauen an der traditionellen Fußwaschung teil. Damit brachte der Papst viele Konservative gegen sich auf.

März 2013: Papst kündigt Zeitungsabo

Der in Papstangelegenheiten stets gut informierten Catholic News Agengy zufolge klingelte beim Zeitungshändler Daniel Del Regno in Buenos Aires wenige Tage nach Amtsantritt von Franziskus das Telefon. Der Familie Del Regno gehört seit Jahrzehnten ein Kiosk, und all die Jahre haben sie dem Erzbischof Jorge Mario Bergoglio seine Tageszeitung im Abo nach Hause geliefert, zusammengerollt und mit einem Gummiband drumherum. Als Bergoglio im Kiosk in Buenos Aires anrief, dachte der Zeitungsmann zuerst, er würde veralbert. "Im Ernst, ich bin's Jorge Bergoglio, ich rufe aus Rom an", soll der Papst gesagt haben. Er habe sich beim Händler für die stets zuverlässige Zustellung bedankt und dann sein Abo gekündigt. Wegen Umzug. Die Gummibänder, mit denen seine Zeitung stets umspannt war, habe Bergoglio all die Jahre dem Kiosk zurückgebracht, berichtet der Zeitungsmann. Alle Bänder. Man könne die ja noch mal verwenden, fand Franziskus.

April 2013: Papst ruft italienischen Pfarrer an

Der italienische Pfarrer Cesa Alejandro Pulchinotta, Pfarrer im italienischen Dorf Montorio Romano nahe Rom, traute seinen ebenfalls Ohren nicht, als sich am Ende der Leitung jemand mit den Worten "Ich bin Papst Franziskus" meldete. Wie der aus Argentinien stammende Priester Radio Vatikan schilderte, rief ihn der Papst persönlich an - um sich für ein Buch zu bedanken, das ihm Pulchinotta über einen gemeinsamen Freund geschenkt hatte. Als er erwiderte, es sei ihm eine große Ehre, dass der Papst das Buch erhalten habe und nun auch anrufe, habe Franziskus geantwortet: "Es schien mir eine Frage der guten Erziehung zu sein. Du hast mir ein Buch geschenkt, und ich bedanke mich bei Dir."

Juli 2013: Papst besucht Lampedusa

Es war ein Besuch mit großer Symbolwirkung: Als erstes Kirchenoberhaupt überhaupt besuchte Papst Franziskus Lampedusa und spendete 1600 Telefonkarten für die Menschen, die dort ausharrten. Die süditalienische Insel ist Ziel Tausender afrikanischer Bootsflüchtlinge. Schätzungen zufolge haben 25.000 Menschen in den vergangenen beiden Jahrzehnten den Tod gefunden beim Versuch, über das Mittelmeer europäischen Boden zu erreichen. Zu deren Gedenken hatte Franziskus der See einen Kranz mit Blüten in den vatikanischen Farben übergeben. Dann feierte er Gottesdienst, im Stadion der Insel, an einem Altar, der in einem schlichten Fischerboot stand. Ebenfalls im Juli 2013 besucht Franziskus eine der größten Favelas in Rio de Janeiro.

August 2013: Papst ruft jungen Fußballfan an

Papst Franziskus gilt als großer Fußballfan. Den Brief des jungen italienischen Fußballfans Stefano Cabizza beantwortert er mit einem Anruf. "Hallo, hier ist Papst Franziskus", so soll sich der Pontifex bei dem 19-jährigen Internatsschüler aus Padua gemeldet und ihm umgehend das Du angeboten haben. "Er hat mir gesagt, dass Jesus und seine Jünger sich auch geduzt haben", sagte Cabizza der Zeitung Il Gazzettino und fügte hinzu: "Wir haben acht Minuten lang gelacht und Witze gemacht."

Oktober 2013: Papst twittert für mehr als zehn Millionen Menschen

"Liebe Follower, wie ich sehe, seid ihr jetzt mehr als 10 Millionen", schrieb Franziskus beim Kurznachrichtendienst Twitter. "Ich danke euch herzlich und bitte euch, weiter für mich zu beten", lautet die Nachricht des Pontifex. Genau 10.000.336 hatten zu diesem Zeitpunkt die unter dem Kürzel @pontifex in acht Sprachen verbreiteteten Botschaften abonniert. Mittlerweile sind gut eine Million Follower hinzugekommen. Im Vergleich lag der Papst damit am 27. Oktober 2013 auf Rang 66 der 100 meistgefolgten Twitter-Accounts der Welt. Uneinholbar bleibt jedoch Justin Bieber mit mehr als 46 Millionen Followern.

Oktober 2013: Papst versteigert seine Harley

Papst Franziskus lässt sein Harley-Davidson-Motorrad in Paris versteigern. Der Erlös in Höhe von 241 500 Euro soll dazu beitragen, dass Don Luigi di Liegro-Gästehaus der Caritas zu renovieren und die Suppenküche für Arme am Bahnhof Termini in Rom zu unterstützen. Das Motorrad hatte der Pontifex zuvor von der Herstellerfirma aus Milwaukee geschenkt bekommen, aber nicht als Transportmittel genutzt. Auf dem Tankdeckel findet sich immerhin seine Unterschrift "Francesco".

November 2013: Papst überrascht italienische Nonne

Die Ordenschwester Teresa aus der italienischen Stadt Caserta, 40 Kilometer nördlich von Neapel, hatte eine Postkarte an den Papst geschrieben, auf der sie von den Müllproblemen in Neapel, dem Umweltskandal und den angeblich dadurch an Krebs gestorbenen Kindern berichtete; auch ihre Handynummer notierte die Frau auf der Karte. Ein paar Wochen später klingelte ihr Telefon - genau in dem Moment, als sie gerade Grundschulkinder unterrichtete. Der Anrufer habe sich mit "Ich bin Papst Franziskus" gemeldet. "Ihre Hände haben das ganze Telefongespräch über nicht aufgehört zu zittern", sagte eines der Kinder italienischen Medien. Papst Franziskus sei sehr gut über die Lage in der Region informiert gewesen und habe sein Mitgefühl mit den Betroffenen geäußert, sagte Schwester Teresa.

Dezember 2013: Papst lädt Obdachlose zum Geburtstag ein

Seinen 77. Geburtstag am 17. Dezember feierte Franziskus mit vier Obdachlosen. Wie Radio Vatikan berichtete, waren die vier Männer, die oft in der Umgebung des Petersplatzes übernachten, zu einer Messe und einem Frühstück im Gästehaus St. Martha im Vatikan eingeladen, wo Franziskus wohnt. Außerdem kamen noch einige Mitarbeiter des Papstes mit ihren Familien zu der kleinen Geburtstagsfeier, die mit einer Messe begann.

Januar 2014: Papst spricht Nonnen auf den Anrufbeantworter

Mit einem Überraschungsanruf an Silvester hat Papst Franziskus die Nonnen eines spanischen Klosters in helle Aufregung versetzt. Weil keine der Schwestern ans Telefon ging, hinterließ das Oberhaupt der katholischen Kirche ihnen Glückwünsche für einen guten Rutsch auf dem Anrufbeantworter. Wie der spanische Rundfunksender Cope berichtete, fragte der 77-Jährige auf Spanisch zunächst in heiterem Ton: "Was treiben wohl die Nonnen, dass sie nicht rangehen können?" - "Ich bin Papst Franziskus. Ich wollte euch Silvestergrüße schicken. Mal schauen, ob ich nachher wieder anrufen kann. Gott segne euch", sagte er noch, bevor er auflegte.

Januar 2014: Papst soll nächtliche Ausflüge machen

Die Gerüchte halten sich hartnäckig: Italienische Medien berichten, dass Papst Franziskus nachts häufiger die Vatikanmauern hinter sich lasse und Obdachlose auf den Straßen Roms besuche. Der Vatikan bestreitet die nächtlichen Ausflüge des Papstes. Der für Almosen an die Armen in Rom zuständige Erzbischof Konrad Krajewski nannte es "ein Sicherheitsproblem", den Papst nachts in den Gassen zu wissen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1911192
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/jst/olkl/bavo
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.