Ein Anruf bei: Yukako Ichikawa:Schmeckt nicht, gibt's nicht

Eine japanische Wirtin hat keine Lust mehr auf Gäste, die ihre halbvollen Teller zurückgehen lassen und ein einfaches Gegenmittel ersonnen: Wer bei Yukako Ichikawa nicht aufisst, zahlt drauf.

Karin Prummer

Fritten gibt es im "Wafu" in Sydney nicht. Yukako Ichikawa, 43, Besitzerin und Köchin, bietet hausgemachte japanische Kost. Sushi, Teriyaki-Platten und frische Salate. Sie will, dass der Mensch dankbar und maßvoll mit Nahrung umgeht, wenn anderswo auf der Welt viele Hunger leiden. Leider haben viele ihrer Gäste das noch nicht ganz verstanden. Weil Frau Ichikawa immer so viele Essensreste wegwerfen musste, hat sie vor kurzem eine neue Hausregel eingeführt: Bei ihr muss jeder essen, bis der Teller leer ist.

People share dishes at Japanese traditional 'Izakaya' pub named Saiki in Tokyo

Die Menschen sollen maßvoll mit der Nahrung umgehen. Deswegen muss bei Frau Ichikawa der Teller leer gegessen werden.

(Foto: ag.rtr)

SZ: Na, Frau Ichikawa, haben Ihre Gäste heute alle brav aufgegessen?

Ichikawa: Ja. Wer mir nicht vor dem Essen verspricht, dass er sich an meine Regeln hält, den akzeptiere ich als Gast nicht in meinem Restaurant. Ich nehme nicht jeden Kunden.

SZ: Aha. Aber gelegentlich kommt schon noch jemand, um bei Ihnen zu speisen?

Ichikawa: Natürlich. Zu viele Gäste kann ich eh nicht gebrauchen. Mein Restaurant ist klein. Es macht sehr viel Arbeit, jedes Gericht komplett selbst zuzubereiten. Wer meine Philosophie nicht versteht, braucht bei mir nicht zu essen.

SZ: Was ist denn Ihre Philosophie?

Ichikawa: Ich nenne es "Schuldfreie Japanische Küche". Nur Bioprodukte. Keine Chemie. So viele Restaurants verwenden künstliche Nahrungsmittel aus der Fabrik. Sie bereiten ihre Speisen nicht einmal selbst zu. Zum Beispiel Teriyaki-Sauce. Die macht meistens die Fabrik. Bei mir ist alles hausgemacht. Und trotzdem bleibt es dann auf dem Teller liegen. Gerade junge Leute essen oft nicht auf.

SZ: Und das ärgert Sie?

Ichikawa: Total! Das ist auch respektlos der Natur gegenüber. Ich habe mich immer stellvertretend für diese Leute schuldig gefühlt. Ich arbeite aber nicht mit Strafen. Bei mir ist es so: Wer aufisst, bekommt eine Belohnung.

SZ: Eine Belohnung?

Ichikawa: Ja. Ich habe mit einem Anwalt gesprochen, bevor ich die Regel eingeführt habe. Nach dem Gesetz darf ich die Leute nicht bestrafen, die Essen übriglassen, weil sie es ja zahlen. Daher mache ich es andersherum: Ich habe alle Preise um 30 Prozent erhöht. Wer aufisst, bekommt Nachlass und landet wieder beim alten Preis.

SZ: Und was machen Sie mit denen, die nicht aufessen?

Ichikawa: Denen sage ich: "Okay, kommt nie mehr zurück." Für diese Menschen will ich gar nicht kochen.

SZ: Ein Mann hat sich im Internet beschwert, weil Sie ihn ausgeschimpft haben. Er sagt, er habe einen riesigen Teller mit Bohnen gegessen und nur zwei Salatblätter übrig gelassen.

Ichikawa: Ach, der wollte Ärger machen. Er kam mit seinem Freund zum Abendessen. Da hatten wir unser Schild mit der neuen Regel schon an der Tür. Er sagte: "Wir essen alles." Und dann hat er es nicht gemacht. Das sind dumme Leute. Die machen immer Ärger.

SZ: Vielleicht war die Portion zu groß.

Ichikawa: Das kann gar nicht sein. Wir fragen jeden Kunden: "Wie viel Hunger haben Sie?" Alle können sich gerne auch eine kleinere Portion bestellen. Natürlich haben Leute, die sich nicht genug bewegen auch keinen so großen Appetit. Ich empfehle oft, gemeinsam eine größere Portion für den ganzen Tisch zu bestellen. Dann sind sie auch gemeinsam verantwortlich.

SZ: Hat Sie schon mal jemand "Mama" genannt? Den Zwang alles zu essen, kennt man ja eher aus der Kindheit.

Ichikawa: Ja, eine Frau hat gesagt: "Sie erinnern mich an meine Mutter." Aber ich bin mit 43 Jahren zu jung, um die Mutter meiner Gäste zu sein. Ich kann ja niemanden zwingen, den Teller leer zu essen. Aber ich meine es gut. Das verstehen die meisten Menschen und teilen meine Meinung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: