Als Paul Potts, 36, Verkäufer aus dem walisischen Port Talbot, in der Show ,,Britain's got Talent'' Puccinis Arie "Nessun dorma" anstimmte, weinten Zuschauer vor Rührung. Inzwischen ist sein Album die Nummer eins in fünf Ländern auf drei Kontinenten gewesen. Derzeit ist Potts auf Asientour. Er hat nach gut zwei Monaten Karriere alles, was ein Star braucht: Fans, eine Plattenfirma und einen Manager, der eigenmächtig Potts' Telefonate beendet.
SZ: Hallo Mister Potts, Nummer eins in fünf Ländern, wie schmeckt der Ruhm?
Potts: Es ist unglaublich. Manchmal muss ich mich kneifen, weil ich nicht glauben kann, dass ich gerade auf der anderen Seite der Erde herumreise, um zu singen. In einer Fernsehshow in Hongkong! Wenn mir das früher jemand prophezeit hätte, hätte ich ihn für verrückt erklärt.
SZ: Wie kommt es, dass Sie so gut singen können?
Potts: Ich habe jahrelang Gesangsstunden genommen, und ich war sogar mal auf einer Sommerakademie in Italien. Insgesamt hat mich der Unterricht sicherlich 12000 Pfund gekostet (knapp 18000 Euro). Es war eine Herzensangelegenheit. Wäre ich vernünftig gewesen, hätte ich das Geld in ein Haus investiert.
SZ: Und Sie haben niemals an eine Profi-Karriere gedacht?
Potts: Ich wusste, dass ich eine nette Stimme habe, aber ich hätte nie gedacht, dass das reicht. 2003 habe ich zuletzt Demo-Tapes an Plattenfirmen geschickt. Die haben mir nicht einmal geantwortet, damit war für mich die Sache erledigt. Ich habe nicht mehr an mein Talent geglaubt.
SZ: Wieso haben Sie sich dann doch für die Talentshow beworben?
Potts: Das war Zufall. Ich habe bei der Arbeit eine Werbemail mit einem Anmeldeformular erhalten. Irgendwie reizte mich das, zugleich wollte ich keine Niederlage mehr und fand mich zu alt. Ich habe dann eine Münze geworfen. Das hat über meine Teilnahme entschieden.
SZ: Die Show ,,Britain's got Talent'' wurde auch heftig kritisiert. Sie traten dort neben rappenden Omas, steppenden Opas oder einem Transvestiten auf, der einen Zwerg in einer Box über die Bühne zog. Fühlten Sie sich nie vorgeführt?
Potts: Nein, ehrlich nicht. Ich fand die Teilnehmer eher exzentrisch und kreativ. Viele hatten wirklich Talent. Es war ein Privileg, mit ihnen aufzutreten.
SZ: Bei Ihrem ersten Auftritt wurden Sie als nervöser Handy-Verkäufer und Hobby-Sänger angekündigt. In den Gesichtern der Zuschauer konnte man Häme sehen, in Vorfreude auf Ihr Scheitern. Als Sie dann gesungen haben, weinten die Leute vor Rührung. War das inszeniert?
Potts: Nein, das war echt und spontan. Ich war ja so nervös, dass ich schon beschlossen hatte, wieder von der Bühne zu rennen. Ich war wie gelähmt. Plötzlich begann die Musik. Da habe ich automatisch angefangen zu singen. Wenn ich singe, vergesse ich alles andere, es befreit mich.
SZ: Seit diesem Auftritt wird Ihre Geschichte ausgeschlachtet: mieser Job, gefährliche Krankheiten, ein letzter Platz in einem Karaoke-Wettbewerb, so schrieb der Daily Telegraph. Ihre Geschichte sei so faszinierend, weil Sie der ,,geborene Verlierer'' seien. Tut so etwas nicht weh?
Potts: Ich achte auf solche Artikel nicht. Ich hatte eine Menge Pech und nun ist die Wende da, das zählt. Jetzt fühle ich mich privilegiert. Es war übrigens ein Karaoke-Abend, kein Wettbewerb. Ich kann also gar nicht Letzter geworden sein.
SZ: Wie sieht ihre Zukunft aus?
Potts: Ich weiß es nicht. Alles, was ich jetzt will, ist singen und die Füße am Boden behalten. Ich will bleiben, wie ich bin.
SZ: Natürlich. Aber haben Sie darauf Einfluss? Ihr Album ist eine Sammlung gängiger Arien, und SonyBMG hätte sicher gern einen zweiten Andrea Bocelli.
Potts: ...
SZ: Mr. Potts? Hallo?
Manager: Tut mir leid, aber wir müssen dann wirklich. Danke.