Ein Anruf bei ...:Nikita Golubew, der auf schmutzige Lastwagen malt

Und zwar Krokodile, tote Roboter und rauchende Industrieschlote. Jetzt, im Winter, ist seine Saison. Nur Schnee mag der Künstler nicht.

Interview von Frank Nienhuysen

Ein dreckiger Laster ist für Nikita Golubew eine Gelegenheit. Man kennt das: mit dem Finger ein schnelles Herz gezogen, einen flapsigen Spruch geschrieben. Der Moskauer Streetart-Künstler nutzt dagegen die grau-schwarzen Seitenflächen für spontane Kunstwerke, malt Krokodile, tote Roboter, rauchende Industrieschlote.

SZ: Der Winter beginnt, ist das jetzt genau Ihre Zeit?

Nikita Golubew: Ja, das ist meine Saison. Da gibt es besonders viel Schmutz. Auch dank der chemischen Mittel, die auf den großen Straßen eingesetzt werden, damit sie nicht zufrieren und der Schnee schneller taut. Viele Moskauer waschen ihr Auto den ganzen Winter nicht, weil es eh keinen Sinn hat. Kein Problem also, dreckige Lastwagen zu finden.

Ist der Schnee Ihr Gegner?

Ich kann nicht bei jedem Wetter malen. Wenn es nass ist, werden es keine guten Bilder, und wenn es kälter ist als minus fünf Grad, frieren die Finger. Das ideale Wetter ist also trocken und nicht zu kalt. Dann kann ich auch aufwendigere Bilder malen.

Wie kamen Sie dazu, Bilder auf schmutzige Lastwagen zu zeichnen?

Ich habe vor drei Jahren den Winter in Indien verbracht. Als ich im Frühjahr zurück nach Moskau kam, fiel mir der Kontrast auf. Die schmutzigen Lastwagen kamen mir vor wie riesige Leinwände.

Ist Russland also besonders geeignet?

Ja. So viel Schmutz habe ich sonst noch nirgendwo gesehen.

Was malen Sie besonders gern?

Das hängt von meiner Laune ab. Ich mag das Einfache, Verständliche. Manchmal habe ich spontan eine Idee, anderes habe ich schon mal auf Papier vorgezeichnet. Ich habe auch schon ein Dinosaurierskelett gemalt.

Sie müssen schnell sein, Lastwagen fahren ja auch mal wieder weg.

Manchmal habe ich nur 15 Minuten für ein Bild. Gestern kam ein Fahrer, der dann aber sagte: Langsam, langsam, ich muss nur schnell was holen, mal ruhig weiter. Es kommt auch vor, dass ein Fahrer einfach zuschaut und ein bisschen wartet.

Haben Trucker einen Sinn für die Kunst?

Nikita Golubev

Nikita Golubew, 38, kommt aus Moskau und macht Kunst. Bekannt wurde er vor allem mit Dirt Paintings. Lastwagen eignen sich besonders gut, bei Pkw hält er sich wegen der Lackierung an einen Grundsatz: immer erst fragen.

(Foto: oh)

Die meisten reagieren sehr freundlich, es gibt auch keinen Grund, sich aufzuregen. Ich male nichts Beleidigendes. Und es lässt sich ja alles abwaschen. Einige sind sogar stolz. Manche haben auch nicht so schnell verstanden, was ich da tue, und denken, ich sei vielleicht ein Rowdy. Aber beschimpft wurde ich erst ein einziges Mal. Es war sehr früh morgens, ich hatte gerade die "Betenden Hände" von Albrecht Dürer fertig gemalt. Ich sagte dann, kein Problem, ich gehe. Ich bin zwar groß, aber ich wollte auch keine Schlägerei - wegen Schmutz, das wäre auch seltsam.

Bekommen Sie Trinkgeld?

Lastwagenfahrer sind recht arme Leute, arbeiten praktisch für Kopeken, trotz der 14 Stunden pro Tag. Ich mache das nicht für Geld und auch nicht auf Bestellung. In letzter Zeit haben mich viele darum gebeten.

Hat die Polizei Sie mal angesprochen?

Ja, ich malte gerade einen toten, liegenden Polizei-Roboter, als ein Polizist kam und fragte, was ich da mache. Na, ich hab's ihm erklärt, und er sagte: Gott beschütze dich.

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