Ein Anruf bei ...:Monica Farell, Ersatzmama eines Sibirischen Tigers

Einen Tiger zu Hause aufziehen, geht das? Ja, sagt Monica Farell. Ihr Sohn hat für das Raubtier sogar sein Kinderzimmer geräumt - zumindest, solange der Sibirische Tiger noch klein ist.

Interview von Peter Burghardt

Irgendwann zieht Elsa, der Sibirische Tiger, in den Tigerpark der Familie Farell in Dassow - aber solange das Tier klein ist, wohnt es zu Hause bei den Farells in Lübeck. Als die SZ Monica Farell, 57, erreicht, kommt sie gerade mit Elsa vom Strand.

SZ: Wie war der Spaziergang?

Monica Farell: Ach, wunderbar. Es war ein Genuss, mit Elsa an den Strand zu gehen. Das ist so ein einsamer Strand in der Nähe von unserem Tigerpark in Dassow. Für Elsa ein wahrer Abenteuerspielplatz. Besser kann man sie nicht beschäftigen.

Wie macht man das? Mit Hundeleine?

Wir haben eine ganz lange Leine. Eine Art Longe, wie beim Pferd. Weil ich natürlich nicht möchte, dass sie in den Dünen verschwindet und sich verletzt. Da lasse ich sie nicht alleine laufen.

Fallen Spaziergänger vor Schreck in Ohnmacht, wenn ihnen der Tiger begegnet?

Jetzt sind da nicht so viele. Und die, die immer mit ihren Hunden spazieren gehen, die kennen uns schon. Die grüßen uns. Noch hat Elsa ja den Niedlichkeitsfaktor.

Wie fühlen Sie sich als Ersatz-Mama eines Sibirischen Tigers?

Ganz toll. Man möchte das Tier natürlich beschützen. Das ist eine Wildkatze, die vom Aussterben bedroht ist. Ich bin zwar mit Raubkatzen groß geworden und hab' miterlebt, wie meine Mutter sie großgezogen hat, wir betreiben ja seit 15 Jahren den Tigerpark. Aber mit Elsa spazieren zu gehen, was ich mit den anderen Tieren sonst nicht machen kann, ist ein Erlebnis.

Und wie kamen Sie an diesen Tiger?

Elsa wurde in einem kleinen Zirkus geboren, Ende August auf Rügen. Die Mutter hat sie verstoßen. Eine junge Tierarzthelferin, ihr Name ist Lisa, hat sie erst mit der Flasche aufgezogen. Im Oktober rief dann das Veterinäramt bei uns an. Wir haben die Genehmigung zur Raubtierhaltung, nach Paragraf 11 des Tierschutzgesetzes. Lisa fiel es schwer, sich von Elsa zu trennen, sie besucht uns häufig. Ist heutzutage nicht einfach, einen Tiger unterzubringen. Viele Zoos haben schon Raubkatzen aus Zuchtprogrammen oder ihre Raubkatzenhaltung aufgegeben. Wir haben mehrere Tiere aufgenommen, zum Beispiel einen weißen Tiger aus der Schweiz.

Dieser Tiger lebt nun tatsächlich bei Ihnen im Haus. Was sagen die Nachbarn?

Im Haus wohnt nur Familie. Da Elsa bisher in häuslicher Umgebung aufgewachsen und noch klein ist, wollten wir sie nicht gleich in den Tigerpark geben, sondern erst zu uns nach Lübeck holen. Mein Sohn hat sein Zimmer ausgeräumt. Wir haben es holzvertäfelt, damit sie nicht an Steckdosen kommt und an die Heizung. Wir haben Laminat ausgelegt, die Fenster sind zu.

Wie groß ist Elsa? Wie füttert man sie?

Sie ist vier Monate alt, wiegt schon 20 Kilo und hat noch nicht ganz die Höhe eines Border Collies. Sie kriegt Milch für Katzen, mit einer normalen Babyflasche. Die trinkt sie ganz relaxed. Dann bekommt sie noch vier Hühnerbrüste, eine Hühnerkeule und ein halbes Kilo Rinderhack mit Eigelb. Das Fleisch gebe ich ihr aus der Hand. Morgens pustet sie mich an, das bedeutet Freundschaft. Dann quakt sie und will fressen.

Wie lange geht das voraussichtlich gut?

Mit Elsa spazieren gehen wir nur, solange wir sie an der Leine halten können. So bis nach acht bis zehn Monaten. Und sie hat zwar noch Milchzähne. Aber wenn die anderen Zähne kommen, dann werden sie gewaltiger aussehen. Mein Sohn und mein Mann spielen mit Elsa, sie sind ihre Ersatzgeschwister. Da fährt sie natürlich mal die Krallen aus und so. Deswegen zieht mein Sohn lieber drei Pullis an und kein T-Shirt.

Sie sterben nicht vor Angst?

Als Mutter habe ich natürlich Angst um meinen Sohn, vor allem, wenn es beim Spielen Richtung Gesicht geht. Da sag' ich: Pass auf! Lass' dich nicht von hinten angreifen! Die Krallen werden ja auch immer größer. Irgendwann geht das so nicht mehr.

Und Sie entscheiden, wann der Tiger in den Käfig muss?

Mein Vater hat uns immer gesagt: Vergesst nie, das ist und bleibt eine Raubkatze. Auch wenn sie noch so kuschelig ist. Ich arbeite im Tigerpark mit mehreren Tigern. Ich habe einen Bengaltiger, Korfu, zwölf Jahre alt, 300 Kilo schwer, ein Prachtkerl. Für den gibt es nichts Schöneres, als mit mir zu schmusen. Aber wenn ich sehe, dass er schlecht drauf ist, dann lass' ich das.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: