Ein Anruf bei Maria Giampiccolo:Wo Mörder Gnocchi auf den Tisch zaubern

Im italienischen Volterra gibt es ein besonderes Restaurant: Im örtlichen Gefängnis, einer mittelalterlichen Medici-Festung, kochen und servieren Schwerverbrecher.

Julius Müller-Meiningen

Gefängnisdirektorin Maria Grazia Giampiccolo, 46, leitet ein Knastrestaurant in der Toskana, zusammen mit Aktivisten der Slow-Food-Bewegung.

Ein Anruf bei Maria Giampiccolo: Dinner im Knast: In Volterra kochen Häftlinge für die Gäste.

Dinner im Knast: In Volterra kochen Häftlinge für die Gäste.

(Foto: Foto: oh)

SZ: In ihrem Restaurant kochen also Mörder?

Giampiccolo: Ja, unter anderem. Im Männergefängnis Volterra müssen die Gefangenen lange Haftstrafen absitzen, teilweise sogar lebenslang. Vor allem Mörder und Räuber. Darunter sind auch Mafiosi.

SZ: Wieso lassen Sie die Häftlinge ausgerechnet kochen?

Giampiccolo: Das ist Teil unseres Resozialisierungsprogramms. Gerade weil die Männer so lange Haftstrafen verbüßen müssen, sind soziale Projekte wichtig. Wir machen zum Beispiel auch Theater, haben Musikgruppen, Schreibseminare, eine tolle Schneiderei.

SZ: Wie kamen sie auf die Idee eines Gefängnis-Restaurants?

Giampiccolo: In Volterra gibt es eine Gruppe der Slow-Food-Bewegung, die sich dafür einsetzt, die Kultur des Essens und Trinkens zu pflegen. Mit der Gruppe haben wir uns zusammengetan und vergangenes Jahr schon acht große, öffentliche Abendessen im Gefängnis veranstaltet. Dieses Jahr schon vier.

SZ: Und wie liefen die ab?

Giampiccolo: Die Gefangenen kochen und servieren. Sie sind inzwischen wirklich gut, haben sich auch gastronomisch unheimlich entwickelt. Es gibt einen Teil, der konnte schon kochen und der hat es den anderen beigebracht. Nächstes Jahr kommen mehrere Sterne-Köche, damit wir noch besser werden. Die Gäste sitzen im Hof und werden bedient. Es gibt hochklassige Menüs. Die Besucher haben das sichtlich genossen.

SZ: Ist das nicht gefährlich?

Giampiccolo: Nein, überhaupt nicht.

SZ: Aber da sind doch bestimmt auch Messer im Spiel, zumindest in der Küche?

Giampiccolo: Ja klar. Die Gefangenen verwenden dort den ganzen Tag Messer, wie sollen sie denn sonst das Fleisch schneiden?

SZ: Da laufen dann also Mörder mit Messern in der Hand herum?

Giampiccolo: Nur in der Küche. Natürlich gibt es Wachleute, die aufpassen. Aber wir haben Erfolg: Vier der 27 Teilnehmer an unserem Programm arbeiten inzwischen schon in Restaurants in Volterra. Die Resozialisierung ist schon weit fortgeschritten.

SZ: Müssen sich die Gäste anmelden?

Giampiccolo: Ja, denn wir müssen im Voraus deren Daten kontrollieren. Handys dürfen nicht mitgebracht werden, die sind im Gefängnis strikt verboten. Außerdem ist es dann auch schön ruhig, sodass die Stimmung auf der mittelalterlichen Burg noch eindrucksvoller ist.

SZ: Wie viele Gäste kommen denn?

Giampiccolo: Der Andrang ist inzwischen sehr groß. Das letzte Mal waren es 200, darunter auch ein paar Touristen. Wir hatten im Winter schon Anmeldungen für Juni. Am 21. August machen wir einen Mittelalter-Abend im Gefängnishof. Im Herbst soll es dann weitergehen.

SZ: Was gibt es zu Essen und zu welchem Preis?

Giampiccolo: Ein Menü kostet 25 Euro. Da gibt es dann zum Beispiel als Antipasto Prosecco mit Schafsfleisch-Spießchen, Pflaumen im Speckmantel und Wildschweinwurst. Dann Gnocchi in Sugo, Risotto mit Ossobuco und Schweinebraten. Als Dessert: Schokoladenmousse und Früchte. Das Geld wird für einen sozialen Zweck gespendet.

SZ: Was halten sie von dem Vorwurf, Sie bedienten nur die Neugier der Leute, die einmal ein Gefängnis von innen sehen wollen, und nutzten die Gefangenen aus?

Giampiccolo: Gar nichts. Die Gäste haben andere, noblere Motive. Die Häftlinge entwickeln sich hervorragend, das sieht man ja an denjenigen, die in den Restaurants der Stadt arbeiten. Auch das Geld ist für einen guten Zweck bestimmt. Es ist gut, wenn sich das Gefängnis der Stadt öffnet.

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