Ein Anruf bei Janosch Contag:Das Dorf der toten Leitungen

Seit fast vier Wochen sind in dem südhessischen Örtchen Brombachtal-Birkert die Telefonleitungen gestört. Fast ein ganzes Dorf kann nicht mehr telefonieren. Auch der 19-jährige Schüler Janosch Contag ist derzeit eigentlich nicht erreichbar. Eigentlich.

SZ: Es war gar nicht leicht, Sie an den Hörer zu bekommen, Herr Contag. Wenn man Ihre Festnetznummer wählt, so hört man: "Zur Zeit ist diese Rufnummer nicht erreichbar."

Ein Anruf bei Janosch Contag: Kann derzeit nur über Handy telefonieren: Janosch Contag

Kann derzeit nur über Handy telefonieren: Janosch Contag

(Foto: Foto: oh)

Contag: Stimmt. Ohne Handy geht derzeit gar nichts. Ganz schön ärgerlich für eine vierköpfige Familie, wie wir es sind. Glücklicherweise haben auch meine Eltern und mein kleiner Bruder ein eigenes Handy. Mein Vater ist ja Messebauer. Der muss erreichbar sein. Aber immer nur Handy - das ist verdammt teuer. Und nicht jeder kennt unsere Nummern.

SZ: Schildern Sie uns doch mal die Situation in Brombachtal-Birkert.

Contag: Seitdem durch einen Sturm in unserer Gegend offenbar eine oder mehrere Leitungen gekappt wurden, haben manche hier zwar Telefon - aber kein Internet. Andere haben Internet - aber kein Telefon. Bei einigen geht gar nichts. Bei anderen geht alles.

SZ: Bei Ihrem Nachbarn, Herrn Herbst, ging das Telefon glücklicherweise noch. Den haben wir angerufen - und freundlich gebeten, mal kurz zu Ihnen rüber zu laufen. Wir kannten ja Ihre Handynummer nicht.

Contag: Dieser Tage wird in Brombachtal-Birkert recht viel gelaufen und gefahren. Am schlimmsten betroffen ist die Schlosserei Müller. Die haben bisher alle Geschäfte über das Festnetztelefon gemacht. Aber nun ist die Schlosserei Müller über das Festnetz schlichtweg nicht mehr erreichbar. Auftragsbestätigungen per Fax klappen auch nicht. Übrigens sind auch alte und pflegebedürftige Leute betroffen. Menschen ohne Handy.

SZ: Liegt Brombachtal-Birkert eigentlich sehr, sehr weit draußen auf dem Land?

Contag: Das ist ein 200-Seelen-Kaff. Nach Darmstadt sind es 40 Minuten.

SZ: Und schuld an dem Telefon-Desaster ist die Telekom?

Contag: Die machen ja nix. Ich sage nichts dagegen, dass die Mitarbeiter derzeit streiken. Das Problem scheint weiter oben in der Führungsebene zu liegen. Wissen Sie, wir versuchen derzeit absolut alles und rufen täglich alle Störnummern der Telekom an. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass man dort einen fähigen Menschen an die Leitung kriegt, ist sehr gering.

Und wenn man nach einer Stunde dann doch jemanden findet, der sich auskennt und ihn fragt, ob man seine Durchwahl haben könnte, dann heißt es: "Ich kann Ihnen doch nicht meine Durchwahl geben." Und so passiert: nix. Kein Telefon, kein Internet. Ich höre aber, sie arbeiten wohl an einer Lösung.

SZ: Vor ein paar Jahren hatte doch überhaupt niemand Internet.

Contag: Moment! Heutzutage ist es so, dass man als Schüler einen Teil seiner Aufgaben über das Internet bekommt. Außerdem mache ich Online-Banking.

SZ: Ja?

Contag: Da ich meine E-Mails nicht mehr abrufen kann, stand ich letztens wie ein Depp alleine vor der Schule. Der Lehrer hatte uns übers Internet informiert, dass der Unterricht ausfällt. Aber das konnte ich ja nicht lesen. Zu meiner Schule muss ich täglich 18 Kilometer mit dem Auto fahren. Und an meine E-Mails komme ich derzeit nur über einen Freund im Nachbardorf dran.

SZ: Was, wenn jetzt ganz Brombachtal-Birkert aus Protest den Telefonanbieter wechseln würde?

Contag: Nee, das würde nichts bringen. Die anderen Anbieter müssten die Leitungen ja auch von der Telekom mieten. Und die Leitungen sind, wie gesagt, kaputt. Total kaputt.

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