Süddeutsche Zeitung

Ein Anruf bei... :Bäcker Joast, der eine umstrittene Inszenierung sponserte

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Ein Provinztheater führt in Osttirol die "Piefke-Saga" auf. Nun fühlen sich deutsche Touristen beleidigt - und wollen den örtlichen Bäcker boykottieren.

Von Melanie Raidl

Als Fernsehserie sorgte "Die Piefke-Saga" von Felix Mitterer vor fast 30 Jahren für leicht angespannte Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich. Österreicher wurden hier als geldgierige Einheimische dargestellt, Deutsche als unsympathische Urlauber. In letzter Zeit aber erfreut sich eine Bühnenversion der "Piefke-Saga" in zahlreichen österreichischen Provinztheatern wieder großer Beliebtheit. Mit all ihren Folgen - zum Beispiel für den Bäckermeister Ernst Joast, der Aufführungen der Theatergruppe im Dorf Virgen in Osttirol mitgesponsert hat.

SZ: Herr Joast, was ist passiert?

Joast: Ich habe von einem deutschen Ehepaar kürzlich eine E-Mail bekommen, dass sie nie wieder in einer meiner Bäckereien einkaufen würden, weil ich den Theaterverein "Die Rabensteiner" in Virgen sponserte ...

... der kürzlich die "Piefke-Saga" im Ort aufgeführt hat. Was haben Sie denen denn geantwortet?

Ich habe zurückgeschrieben, dass wir stolz sind, heimische Vereine unterstützen zu können, und dass das Theaterstück letztendlich super ist. Die Bezeichnung "Piefke" ist bei uns in keinster Weise negativ behaftet.

Nicht?

Ich habe geschrieben auf die Art: Wenn man sonst keine Probleme im Leben hat, kann man sich auch welche machen. Mit freundlichen Grüßen und so weiter und so weiter.

Sie finden das Stück also super? Deshalb spons erten Sie es?

Natürlich. Und als heimischer Betrieb sponsert man bei uns eben auch heimische Vereine, egal ob Fußballverein, Musikverein oder eben Theaterverein. Es gehört zur Regionalität, dass man sich gegenseitig unterstützt. Und ich fand schon den Film sehr lustig.

Gibt es auch Deutsche, die Ihre Ansicht teilen?

Auf jeden Fall. Es gingen mindestens genauso viele Deutsche ins Theaterstück wie Einheimische. Es werden ja auch Österreicher im Stück veralbert. Es ist eine Sache des Humors.

So viele Deutsche gibt es in Ihrem kleinen Ort in Osttirol?

Ja, freilich. Die Deutschen machen bestimmt mehr als die Hälfte der Touristen aus.

Trotzdem gewagt, ausgerechnet in der Urlaubszeit dieses Stück aufzuführen.

Na ja, einige Vermieter haben mir erzählt, dass ein paar deutsche Gäste sich beschwert haben, dass überall "diese blöden Piefke-Saga-Plakate" hängen. Ein oder zwei Hoteliers waren der Meinung, dass die Werbeplakate nicht unbedingt in der Hochsaison im ganzen Ort hängen sollten. Aber gut, es ist das erste Mal, dass das Stück bei uns gespielt wird. Sogar Felix Mitterer selbst war bei der Premiere hier.

Und wie ist Ihr Alltag mit deutschen Touristen? Sehen Sie da Parallelen zum Stück?

Genauso wie es bei der Aufführung gespielt wird, so ist es mit den Touristen in Wirklichkeit auch. Richtig witzig. Zum Beispiel, wenn sie bei mir ins Geschäft kommen und fragen: "Und was kostet dieses Teilchen? Und was kostet das Teilchen?" Oder sie essen kein Brot mit Kümmel. Das sind ein paar so Eigenheiten.

Aber von Kulturschock kann keine Rede sein?

Absolut nicht. So wie die Holländer über die Belgier Witze machen, machen wir über die Deutschen Witze - und sie über uns. Wir mögen uns trotzdem alle.

Also müssen Sie nicht um Ihre Bäckerei fürchten?

In meinen Umsätzen habe ich jedenfalls nichts gespürt.

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Quelle:
SZ vom 09.08.2018
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