Eigene Reality-TV-Show für Lindsay Lohan:Vor dem Entzug, nach dem Entzug

PRESIDENT OBAMA ATTENDS WHITE HOUSE CORRESPONDENTS DINNER

Lindsay Lohan sucht jetzt in einer Reality-TV-Show nach dem besseren Leben.

(Foto: picture alliance / dpa)

Erst vor ein paar Tagen "leakte" sie eine Liste der Hollywoodjungs, mit denen sie im Bett gewesen sein will. Niemand kann mit Sex-Eskapaden und Alkoholabstürzen so leicht Schlagzeilen machen wie Lindsay Lohan. In einer Reality-TV-Show können die Zuschauer sie jetzt beim Kampf gegen den Rückfall sehen.

Von Anne Philippi

Mit Lindsay Lohan ist es wie mit einer alten Freundin aus einem vergangenen Lebensabschnitt. Man ist nicht mehr auf dem neuesten Stand. Ist sie gerade extrem gut drauf oder doch nicht?

Lindsay, dieses rothaarige Miststück, dieses traurige Mädchen mit den toxischen Eltern, diese Sexbombe, ist nach wie vor zwischen den Leben. Extrem happy, extrem unten. Deshalb verfolgen wir Lindsay. Mit Blicken, mit Liebe, mit Hass.

In den vergangenen Jahren existierte in der Entertainmentwelt keine Frau, die so leicht und nur mit dem kleinen Finger Schlagzeilen machen konnte. Auf dem Nagel dieses Fingers stand einmal, unvergessen, "Fuck", und das hatte Lohan damals als Kommentar für ihren bevorstehenden Knastbesuch übrig. Vor ein paar Tagen machte sie neue Schlagzeilen und "leakte" eine Liste der Hollywoodjungs, mit denen sie im Bett gewesen sein will. Das erinnerte an die Lindsay aus dem alten Lebensabschnitt. Schlagzeilen machen mit Sex und Abstürzen oder mit Nichterscheinen.

Macht mich die Öffentlichkeit krank oder hilft sie mir, gesund zu werden?

Ab sofort können wir dank Oprah Winfrey Lindsay in ihrem neuen Leben sehen. Oprah hat sich entschlossen, Lohan zu retten und zwar öffentlich. Seit vergangener Woche läuft die Realityshow Lindsay auf Oprahs Kanal OWN. Wir sehen Lohan beim Kampf gegen das Biest Rückfall. Lindsay lehrt uns: Das Leben vor der Rehab ist das Leben nach der Rehab.

Lindsay möchte gleich im ersten Teil Beweise ihrer Heilung anführen. Einmal ruft sie mit Metallbürstenstimme in die Kamera: "Es gibt nichts mehr, was mir ein Drink noch geben könnte." Wir wissen, Lindsay könnte uns in drei Sekunden alles aufzählen, was das Tolle an einem Wodka Tonic ist. In einer anderen Szene flötet sie: "Ich habe inneren Frieden gefunden." Diesen Frieden hat Lindsay in der nächsten Szene wieder verloren, zumindest sieht es so aus, wenn sie sich wie eine Besessene Tic Tacs in den Mund wirft.

Oprah Winfrey führt mit Lindsay ein wissenschaftliches Experiment durch. Die Fragestellung lautet: Macht mich die Öffentlichkeit krank oder hilft mir die Öffentlichkeit, gesund zu werden, weil ich sie nicht enttäuschen will? Die Frage ergibt Sinn, wenn man wie Lindsay vom Babyalter an vor der Kamera stand, und wenn sich Paparazzi von einem Lohan-Foto heute immer noch umgehend eine goldene Uhr kaufen können.

Wie sich eine süchtige Schraube aus dem Enttäuschungsgewinde herausdreht

Im neuen Leben aber kommt Lindsay mit den Fotografen nicht mehr klar. In der ersten Folge kann sie das Hotelzimmer nicht verlassen, weil ungefähr 40 Paparazzi draußen stehen. Sie hat die Wahl: abgeschossen zu werden oder ihr Alkoholiker- Meeting zu verpassen und im Hotel zu bleiben. Lindsay läuft nervös im Zimmer herum, packt Koffer ein, packt sie wieder aus, schluckt Tic Tacs. Wir sehen, erstmalig, die Angst der Lindsay. Schweißfilm auf der Oberlippe, vergrößerte Pupille, keinen BH unter dem Tanktop. Hat sie vergessen.

In Lindsay geht es nicht mehr so sehr um die Darstellung einer Celebrity-Welt, die derzeit ohnehin verfällt. Es geht um Versagen und darum, wie man alte Erfolgsrezepte ablegt, die als Nebenwirkungen die Selbstzerstörung beinhalten. So wird Lindsay jeden Tag von einem Helfer der Entzugsklinik begleitet, der ihr bei neuen Entscheidungen hilft - und von Oprah als Ersatzmutter. Das hat Konsequenzen. Winfrey riet Lohan davon ab, zur Premiere ihres Films The Canyons nach Europa zu fliegen, weil sie das als "gesünder" erachtete.

Lindsay folgte ihrem Rat. Gleichzeitig enttäuschte sie damit Regisseur Paul Schrader, der für den Erotikthriller hohe Risiken auf sich genommen hatte. Schrader engagierte Lindsay Lohan, "als das niemand mehr tat", wie er sagt. Nur wusste der Mann doch, worauf er sich einlassen würde. Und er hatte das rote Ding genau wegen der merkwürdigen, undurchsichtigen Lindsay-Aura eingekauft. Am Ende von Lindsay werden wir erfahren haben, wie man sich als ehemals süchtige Schraube aus so einem Enttäuschungsgewinde herausdreht. Und möglicherweise seine Strahlkraft behält. Dann hätte Lindsay ein neues Leben gewonnen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: