Ehe-Aus:Wie Tom Cruise seine Frau in die Flucht schlug

Basteln mit Tochter Suri, Turteln mit Gattin Katie oder einfach nur Coolsein: Alles, was Tom Cruise anfasste, schien zum Projekt zu geraten. Zur optimierten Lernerfahrung mit Fortschrittskontrolle. Irgendwann musste dieser fast wahnhafte Perfektionismus Katie Holmes frustrieren.

Tobias Kniebe

Die letzte verbürgte Nachricht, dass Tom Cruise kein Mensch ist, stammt aus dem Fotobuch seines vorletzten Films. Da berichtet David James, der Set-Fotograf von "Mission Impossible IV", wie der Mann so agiert, wenn er 500 Meter über dem Boden an einem Stahlseil hängt - an der Außenfassade des Burj Khalifa in Dubai. Cruise rennt also an der Glasfront des höchsten Gebäudes der Welt entlang, sooft es für die Filmkameras nötig ist. Und dann macht er es, für den Schnappschuss des Fotografen, noch einmal. "Kein anderer Star der Welt hätte das für mich getan," sagt James.

Dieses Superhumane, dieses Superteamfähige, diese Unbedingtheit des Willens, der Beste zu sein: makellos. Gnadenlos. Unerträglich. Ein Leitmotiv: Fast drei Milliarden Dollar Einnahmen an den Kinokassen, die direkt mit seiner Arbeit verknüpft sind; seine Konstanz in der Hit-Produktion, von "Top Gun" bis heute, ist im modernen Hollywood ohne Beispiel; Posterboy für Scientology, diesen gnadenlosesten aller Selbstoptimierungskulte. Und zugleich ist klar: Jeder Versuch, mit diesem Mann zusammenzuleben, muss im Wahnsinn enden. Oder mit der Scheidung.

Überraschung ist daher ein relativer Begriff, wenn die Welt nun die Trennung von Tom Cruise und Katie Holmes verarbeitet. Zwar haben die Beobachtungsdrohnen der Celebrity Watch das nicht kommen sehen, es gab nicht einmal Gerüchte. Andererseits: Ob dieses Paar bis zur Rente durchstehen würde - darauf wollten sich nicht einmal Toms Freunde von der Bild-Zeitung wirklich festlegen.

Die Frau auf Händen tragen, Bastelarbeiten mit Töchterchen Suri, Faulenzen und einfach nur Glücklichsein - alles scheint diesem Mann zum Projekt geraten, zur optimierten Lernerfahrung mit Fortschrittskontrolle. Dazu Cruise in der Zeitschrift People, erst vor wenigen Tagen: "Jeden Tag fragen wir uns, Kate und ich: Wie waren wir? Wir schauen uns an und sagen: Ja, wir hatten einen guten Tag. Wir alle arbeiten daran." Wenn dieser Mann seine Seele baumeln lässt, dann hängt sie am Stahlseil.

Überwältigende Sehnsucht nach Unvollkommenheit

Eine Frau, die davon loskommen will, muss wahrscheinlich ganz ohne Vorwarnung zuschlagen - und am besten gleich mit dem Bolzenschneider. So heißt es nun, die Scheidung gehe allein von Katie aus, sie habe sie in New York eingereicht, weil da die Chancen höher seien, volles Sorgerecht für die Tochter zu bekommen. Tom Cruise und seine straff organisierten Helfer, die vermutlich auch wissen, wenn in China ein Scientologe vom Fahrrad fällt, seien völlig überrascht worden. Sollte demnächst Toms Großprojekt "Suri heimholen" anlaufen, kann das jedenfalls noch heiter werden.

Die Verschwörungstheorien, die jetzt kursieren, braucht andererseits kein Mensch. Tom Cruise ist derart singulär auf alle Dinge fokussiert, die er anpackt, dass er sich nur in begrenztem Maß verstellen kann - übrigens ein interessantes Problem für einen Schauspieler. Es war wohl ganz einfach so, wie die Welt es gesehen hat: Er trifft eine Kollegin, sechzehn Jahre jünger als er, die schon im Kinderzimmer ein Poster von ihm an der Wand hängen hatte. Sie ist von ihm begeistert, er von ihr. Es folgt das Projekt "Wahnsinnsglück": Heiratsantrag auf dem Eiffelturm, Ring im Cocktailglas, Oprahs Talkshow-Sofa als Trampolin, Hochzeit auf italienischem Schloss.

So etwas kann aller Erfahrung nach nicht wahr sein. Deshalb der allgemeine Drang, sinistere Dinge dazuzudichten, "Free Katie!"- T-Shirts zu tragen, über knüppelharte Eheverträge zu spekulieren und geheime sexuelle Orientierungen. Alles Unsinn: Wer diesem Mann einmal gegenübergessen ist, ihm in die Augen geschaut hat und vom Energiefeld-Blaster seiner Entschlossenheit durchgeschüttelt wird, braucht keine weiteren Erklärungen. Da reicht schon eine halbe Stunde Interviewzeit, und man ist versöhnt mit der eigenen Schlaffheit, den Augenringen, der ganzen Unperfektheit der menschlichen Existenz. Ein Leben an seiner Seite - und die Sehnsucht nach Unvollkommenheit muss irgendwann überwältigend werden.

Tom Cruise aber verkörpert wie kein anderes lebendes Wesen die Idee, dass es anders sein könnte. Dass ein Leben ohne Schwäche möglich sei. Er hat diese Idee nicht erfunden. Übrigens auch L. Ron Hubbard nicht. Er hat sie nur noch viel ernster genommen als alle anderen, die Milliarden Dollar damit verdienen, um sie immer weiter zu propagieren, und Milliarden dafür ausgeben, um sich damit ein wenig besser zu fühlen. Und wenn Tom Cruise am Dienstag tatsächlich fünfzig Jahre alt wird - dann könnten wir uns zur Abwechslung auch mal fragen, wer wir selber eigentlich sind.

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