Duisburger Mafia-Morde:54 Schüsse Rache

Der Haupttäter der Duisburger Mafia-Morde muss lebenslang ins Gefängnis. Die italienische Justiz legt ihm jedoch nicht nur diese Tat zur Last - insgesamt wurden in dem Prozess 18 Morde verhandelt.

Andrea Bachstein, Rom

Zu lebenslanger Haft ist in Italien der Haupttäter der Mafia-Morde von Duisburg am Dienstag verurteilt worden. Das Schwurgericht von Locrì in Kalabrien verhängte für den 32 Jahre alten Giovanni Strangio außerdem drei Jahre Einzelhaft. Er ist als Täter, Anstifter und Organisator verantwortlich für das nach Einschätzung des Staatsanwalts "nach militärischem Vorbild" geplante Blutbad.

Prozess um das Blutbad von Duisburg

Vor dem Duisburger Lokal Da Bruno wurden am 15. August 2007 sechs Menschen getötet.

(Foto: dpa)

Durch 54 Schüsse Strangios und seiner mutmaßlichen Komplizen kamen vor dem Duisburger Restaurant Da Bruno in der Nacht zum 15. August 2007 sechs Menschen zu Tode. Ein Täter ist nun mangels Beweisen freigesprochen worden. Gegen zwei andere gibt es ein getrenntes Verfahren.

Die sechs Kalabresen, deren Leichen die Polizei um 2.30 Uhr an jenem Mariä-Himmelfahrtstag vor dem Lokal fand, starben in der unerbittlichen, 20-jährigen Fehde zweier Clans der kalabrischen Mafia `Ndrangheta aus dem Dorf San Luca, 2000 Kilometer weit weg von Duisburg. Dort ist dieser Krieg unter Kriminellen kulminiert, aber im Prozess in Locrì ging es auch um frühere der mindestens 18 Mordtaten. So sind weitere sieben der 14 Angeklagten am Dienstag zu lebenslang verurteilt worden, andere erhielten lange Haftstrafen.

Giovanni Strangio arbeitete vor den Morden offiziell als Gastwirt, aber er war vor allem der Exponent seines Clans Nirta-Strangio, der zur `Ndrangheta gehört. Sie gilt seit Jahren als die größte und gefährlichste Mafiaorganisation Italiens. Waffen- und Menschenhandel sowie Schutzgelderpressung gehören zu ihrem Geschäft. Aber vor allem kontrolliert sie einen großen Teil des internationalen Drogenhandels, kooperiert unter anderem bestens mit dem kolumbianischen Medellin-Kartell, wenn es um die Vermarktung von Kokain geht.

Längst auch in Deutschland verankert

Weltweit hat sich die `Ndrangheta etabliert, ihr Jahresumsatz wird auf 44 Milliarden Euro geschätzt, und auch in Deutschland ist sie längst gut verankert. Unter anderem wäscht sie dort ihr Geld - zum Beispiel in der Gastronomie. Im Duisburger Da Bruno oder in den beiden Pizzerien, die Giovanni Strangio in Kaarst betrieb. Macht und Geld spielen bei der Rivalität solcher Clans stets eine große Rolle, doch in dieser Fehde ging es außerdem um Rache für die Ermordung einer Frau.

An Weihnachten 2006 wurde in Strangios Heimatort San Luca seine Cousine Maria erschossen. Es war eine Art Unfall. Eigentlich hatten die Killer vom Clan der Pelle-Vottari ihren Mann Gianluca Nirta im Visier. Dass eine Frau in der Fehde stirbt, das gilt selbst in den brutalen Regeln der `Ndrangheta als ein schwerer Verstoß. Bei aller Modernität und Weltläufigkeit, in der `Ndrangheta gelten auch weiterhin archaische Gesetze und Rituale. So wie sie seit hundert Jahren in Orten wie dem Aspromonte-Bergdorf San Luca üblich sind, wo die meisten Einwohner irgendwie verwandt sind und einem sagen, sie wüssten von all diesen Dingen nichts.

Die Mafia wird sichtbar

Der Inhaber des Da Bruno gehörte den Pelle-Vottari an, die anderen Opfer von Duisburg waren Verwandte und Angestellte. Sie hatten in der Mordnacht nach alter Sitte ein `Ndrangheta-Ritual vollzogen. Das jüngste Opfer, gerade 18 geworden, wurde aufgenommen als Clanmitglied in einem Hinterzimmer, in dem eine Figur des Erzengels Michael und Heiligenbildchen gefunden wurden.

Als sie danach mit ihren Autos aufbrechen wollte, warteten Giovanni Strangio und seine Komplizen. Sie wussten offenbar genau, wer ihnen in die Falle laufen würde und dass Besuch aus der Nähe von San Luca da war: Ein korpulenter, 25-jähriger Mann namens Marco Marmo. Er soll nicht nur Waffen für die Pelle-Vottari besorgt haben, sondern gilt als einer der Killer von Maria Strangio.

Für den Leitenden Staatsanwalt von Reggio di Calabria, Nicola Gratteri, war der Dienstag jetzt ein wichtiger Tag. Mit den Urteilen im "Fehden-Prozess" hat er sich bis auf einen Angeklagten durchgesetzt. Gratteri ist einer der erfolgreichsten Mafia- und `Ndrangheta-Verfolger Italiens. Fast täglich können die Ermittler in Gratteris Gebiet, aber auch in anderen Teilen Kalabriens Festnahmen und Beschlagnahmungen von `Ndrangheta-Eigentum vermelden.

Nach dem Urteil sagte Gratteri, die anderen Länder Europas müssten endlich begreifen, wie präsent "Clons" der kalabrischen 'Ndrangheta auch bei ihnen sind. Sie seien "kapillar" eingedrungen in Teile der Gesellschaft, und beim Drogenhandel besonders in Deutschland, Holland und Spanien mächtig. Die Morde von Duisburg gelten als kapitaler Fehler der `Ndrangheta, weil diese der Mafia ungewöhnlich viel Öffentlichkeit gebracht haben.

Viele Verbrechen bleiben unsichtbar

San Luca ist weit über Kalabrien hinaus für seine Schlüsselrolle bekannt geworden. Das ist das Gegenteil der Unauffälligkeit, die die Clans für ihre Aktivitäten wünschen und die ihr Schutz bieten soll. Gerade im Ausland. Auch Staatsanwalt Gratteri sagt, viele Verbrechen der `Ndrangheta blieben dort "unsichtbar" für die meisten Menschen. Der große Bereich der Geldwäsche zum Beispiel, und der spiele sich eben nicht auf der Straße ab. Deshalb würden Politik und Bürger in Ländern wie Deutschland die `Ndrangheta auf ihrem Territorium oft unterschätzen.

Die Zusammenarbeit mit der Polizei und den Staatsanwaltschaften anderer Länder sei längst Alltag für seine Leute in Reggio di Calabria, sagt Gratteri. Das Problem liege aber in noch immer unterschiedlichen Rechtsnormen, die die Verfolgung der Mafia über Ländergrenzen erschweren.

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