Drogenmetropole Augsburg:Sonderkommission Ali Baba ermittelt

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Die Augsburger Kripo kämpft gegen irakische Kriminelle, die im Auftrag der PKK mit Heroin gehandelt haben sollen. Sie hat es mit einem weit verzweigten Netzwerk zu tun.

Stefan Mayr

Im Oktober 2004 fuhr ein Entführungskommando vor die Asylbewerberunterkunft an der Calmbergstraße in Augsburg. In dem schwarzen Mercedes saßen drei Iraker, bewaffnet mit Messer und Pistole. Gemeinsam zerrten sie ihr Opfer ins Auto. "Wir bringen dich nach Bremen und stellen dich vors Gericht", schrien die Kidnapper ihrem Opfer ins Gesicht. Anwohner riefen die Polizei. Diese konnte die Entführung schnell beenden.

Seit 2003 sind Ermittler der Drogenbande auf der Spur (Foto: Foto: dpa)

Bei ihren Ermittlungen gewannen die Beamten jedoch Erkenntnisse, deren Brisanz weit über die Augsburger Stadtgrenzen hinaus geht: Die kurdische Organisation PKK finanziert ihre Aktionen in der Türkei offenbar durch Drogengeschäfte in Deutschland. Dies berichtete das ARD-Magazin "Report München" am Montag.

"Wir haben Aussagen, wonach Personen aus dem Führungszirkel der Bremer Drogenbande der PKK nahe stehen", bestätigt Klaus Bayerl, der Leiter der Kriminalpolizei Augsburg. "Aber beweisen können wir das noch nicht." Im "Report München" berichtete ein ehemaliges Bandenmitglied, dass große Teile der Erlöse an die in Deutschland verbotene PKK flössen. "Mein Chef hat 16 Jahre lang für die PKK gearbeitet", sagt der ehemalige Drogenkurier.

Weit verzweigtes Netzwerk

Seit 2003 ist die "Sonderkommission Ali Baba" der irakisch-kurdischen Drogenbande auf der Spur. Dabei wurden allein in Augsburg etwa 100 Personen inhaftiert, sie wurden insgesamt zu 270 Jahren Haft verurteilt. Wie viele Menschen für das kriminelle Geflecht tätig sind, lässt sich nur erahnen. Dass ein Bandenboss von Bremen bis nach Augsburg reist, um einen vermeintlichen "Verräter" zu kidnappen, deutet auf ein bundesweit verzweigtes Netzwerk hin.

Kripo-Chef Bayerl spricht von einer gut organisierten Struktur: "Unmittelbar nach der Festnahme stehen überregionale Rechtsanwälte zur Verfügung. Und die Inhaftierten werden intensiv betreut." Bremen gilt bundesweit als Zentrum der PKK-Sympathisanten.

Problem Sozialbetrug

Die Verbrecher verdienen nicht nur im Drogengeschäft, sondern auch mit allerlei Betrügereien. So vermietete ein Iraker eine Augsburger Wohnung an mehrere abgelehnte Asylbewerber gleichzeitig; diese kassierten von den Behörden jahrelang jeweils das komplette Wohngeld. "Wir haben 60 Betrugsfälle aufgedeckt", berichtet Bayerl. Insgesamt wurden das Augsburger Sozialamt und die Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung um etwa 90.000 Euro erleichtert.

"Seitdem wird intensiver kontrolliert", sagt Bayerl. "Jetzt werden die Wohnungen von einem Außendienst überprüft." Die meisten der 100 Betrüger und Dealer sind bereits verurteilt, weitere Prozesse sind terminiert.

Doch die Ermittler haben keinerlei Anlass, sich zufrieden zurückzulehnen. Denn nach und nach kommen die ersten Täter wieder auf freien Fuß und "dealen gleich wieder fröhlich weiter", wie es ein Staatsanwalt formuliert. Eigentlich sieht der Gesetzgeber vor, dass Straftäter, die eine Freiheitsstrafe von drei Jahren oder länger abgebüßt haben, automatisch in ihr Heimatland ausgewiesen werden. Doch das gilt nicht für den Irak, da wegen der dortigen Sicherheitslage ein Abschiebestopp erlassen wurde.

Lawine von Ex-Häftlingen

Sehr zum Bedauern von Klaus Bayerl. Er berichtet von neun Irakern, die nur wenige Wochen nach ihrer Freilassung erneut ertappt wurden. "Das ist schon sehr bedauerlich und macht unsere Arbeit nicht leichter", sagt Bayerl. Sollte sich die Gesetzeslage nicht ändern, rollt auf die Polizei in den nächsten Jahren eine Lawine von Ex-Häftlingen zu, die trotz rechtskräftiger Abschiebebescheide im Land bleiben und wieder ihr Unwesen treiben.

Den Behörden sind die Hände gebunden: "Wir können diese Personen nicht zwangsweise ausweisen", sagt Klaus Sulzberger vom Augsburger Ausländeramt. "Wir können nur die Sozialleistungen auf ein Minimum reduzieren, die Arbeitserlaubnis entziehen und die Leute auffordern, das Land freiwillig zu verlassen."

Das Problem ist dem Bayerischen Innenministerium bekannt, doch eine Änderung der Rechtslage scheint nicht in Sicht. "Wir fordern schon seit längerem, dass gefährliche Leute, die ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nachkommen, in Gewahrsam genommen werden können", sagt Ministeriumssprecher Rainer Riedl. "Aber das ist politisch derzeit nicht durchsetzbar."

Kurden gaben sich aus Iraker aus

Die Staatsanwaltschaft Augsburg berichtet indes von türkischen Kurden, die sich als Iraker ausgeben, um nicht abgeschoben zu werden. Für die Behörden ist das fast schon Routine: "Vor ein paar Jahren waren viele Afrikaner bemüht, Sudanesen oder Nigerianer zu sein", berichtet Staatsanwalt Michael Eberle.

Auf besonders dreiste Fälle stieß die Kriminalpolizei mittels ihrer Telefonüberwachung. Dabei kam zutage, dass etliche Iraker, deren Asylgesuch noch bearbeitet wurde oder schon abgelehnt war, mit dem Auto in den Nordirak fuhren und dort Urlaub machten. Danach kehrten sie wieder nach Deutschland zurück und forderten Asyl oder Duldung - wegen Verfolgung in ihrer Heimat.

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