Süddeutsche Zeitung

Drogenkrieg in Mexiko:Die verlorene Schlacht

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Im mexikanischen Drogenkrieg sterben mehr Menschen als bei den Gefechten in Afghanistan und im Irak. Der Terror breitet sich immer weiter aus - weil es um Milliarden geht.

Peter Burghardt

Um sieben Uhr morgens wurden die drei Köpfe vors Restaurant geworfen, in Palmillas war gerade die Sonne aufgegangen. "Das passiert mit Verrätern", stand auf Zetteln neben den Köpfen. Die Täter hatte natürlich niemand gesehen. In den folgenden Stunden wurden allein in dieser Gegend 15 weitere Menschen ermordet.

In Guerrero fand man vier Leichen, eine von ihnen enthauptet. In Reynosa starben bei einer Schießerei drei Soldaten und drei Söldner, ein Handyvideo davon lief sogleich auf YouTube. Und in Michoacán gab es vier Tote durch Schusswaffen. Ein ganz normaler Tag in Mexikos Drogenkrieg.

2009 zählte die Zeitung El Universal in dem Land 7724 solche Morde. Im Januar 2010 waren es fast tausend. Rechnet man das hoch, könnte es dieses Jahr mehr als 10.000 Opfer geben. Seit dem Amtsantritt von Präsident Felipe Calderón 2006 hat die Schlacht um Kokain, Marihuana, Heroin und Pillen bereits 17.000 Leben gekostet, mehr als die Kriege in Irak und Afghanistan. Ähnlich heftig tobt der Kampf um Routen und Märkte in Guatemala, Honduras und El Salvador.

Der Rohstoff für das Geschäft kommt größtenteils aus den Andenländern, vor allem aus Kolumbien. Die Drogen sind zumeist für die USA und Europa bestimmt, aber auch Lateinamerika schnupft, schluckt und raucht immer mehr. "Ein gescheiterter Krieg ohne Ende", schreibt Mexikos früherer Außenminister Jorge Castañeda.

Calderón begann die Offensive gegen die Narcos, wie die Kartelle aus Ciudad Juarez, Tijuana, Sinaloa, dem Golf von Mexiko oder Michoacán genannt werden. Der konservative Staatschef schickte mit US-Hilfe 45.000 Soldaten auf die Straße. Doch Milliardengeschäft und Terror breiteten sich immer weiter aus, auch Erpressungen und Entführungen nahmen erheblich zu. Gangs aus oft einfachen Familien wuchsen zu Konzernen, mit Ablegern in Buenos Aires, Rio, Los Angeles, Madrid.

Töten mit dem Ziegenhorn

Die Kriminellen kaufen Waffen, Polizisten, Bürgermeister. "Plata o Plomo" - Geld oder Kugel. Ihr Symbol sind Schnellfeuergewehre wie das AK47. Das heißt in der Branche Cuerno de Chivo, Ziegenhorn. Welcher Polizist mit einem Monatsgehalt von maximal tausend Dollar kann da widerstehen? Ordnungshüter laufen über oder quittieren den Dienst.

Die Zetas, zunächst Privatheer des Golf-Kartells, stammen aus Elitetruppen. Justiz und Politik sind unterwandert. Und der Experte Edgardo Buscaglia glaubt, zwei Drittel der Wirtschaftssektoren hätten mit dem Drogenhandel zu tun. 25 Milliarden Dollar werden pro Jahr gewaschen. "Es gibt eine soziale Basis für die Narcos", sagt Buscaglia. Eine Kultur des schnellen Geldes und frühen Todes, mit Drogenheiligen und Drogenliedern, schönen Frauen, teuren Autos, pompösen Häusern, vergoldeten Pistolen - und unauffälligen Strategen.

Die US-Grenze wurde so zur Front, Ciudad Juárez zum Zentrum des Schreckens. In der staubigen Millionenstadt gegenüber von El Paso verschwinden Frauen, Männer werden abgeschlachtet. 2632 Morde gab es 2009 allein hier, obwohl das Militär mit 8000 Mann wacht. Besonderes Entsetzen löste kürzlich das Massaker an 15 Jugendlichen bei einem Geburtstagsfest aus. Die Einwohner rufen inzwischen nach UN-Blauhelmen, sie misstrauen ihren Streitkräften. Menschenrechtler werfen Mexikos Uniformierten Missbrauch vor. Castañeda sagt, die Armee sei für manche der Toten verantwortlich, die sie den Narcos vorwerfe.

300 Körper in Säure aufgelöst

Zwar stellt die Staatsgewalt regelmäßig Drogenbarone, beschlagnahmt Kokain und Waffen. In Cuernavaca streckten Spezialeinheiten Arturo Beltrán Leyva nieder, er hatte dort lange ungestört dem Luxus gefrönt. Bei der Aktion starben auch Soldaten, ein Name sickerte durch. Beltrans Rächer metzelten danach dessen Familie nieder.

Im Gefängnis landeten auch Massenmörder wie El Teo, El Muletas oder El Pozolero, "der Suppenkoch". Er löste 300 Körper in Säure auf. Der Clan der Arellano Félix in Tijuana erlitt ebenfalls Verluste. Aber der Hydra wachsen ständig Köpfe nach. Es gedeiht vor allem das Sinaloa-Kartell unter Joaquín El Chapo Guzman.

Präsident Calderón verlangt Härte und Beharrlichkeit. Gerade besuchte er Ciudad Juárez und versprach Bevölkerung und Militär seine Unterstützung. Im Dorf Palmillas, dem mit den drei abgetrennten Köpfen, wurde derweil die für Sonntag geplante Tanzveranstaltung abgesagt.

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Quelle:
SZ vom 15.2.2010
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