Drogenhändlerin zurück in Mexiko:Die Königin des Pazifiks

Drogenhändlerin zurück in Mexiko: Das machte die Phantasie der Telenovela-Regisseure aus der Drogenhändlerin: Schauspielerin Kate del Castillo als "La Reina del Sur".

Das machte die Phantasie der Telenovela-Regisseure aus der Drogenhändlerin: Schauspielerin Kate del Castillo als "La Reina del Sur".

(Foto: oh)

Das Leben von Sandra Ávila Beltrán lieferte Stoff für einen Bestseller-Roman und eine Fernsehserie. Die Drogenhändlerin galt bis zu ihrer Verhaftung als wichtigste Frau in einer von Männern beherrschten Branche. Nach ihrer Auslieferung an die USA kehrt die Mexikanerin nun heim.

Von Peter Burghardt, Buenos Aires

An diesem Samstag soll eine 52 Jahre alte Mexikanerin mit langem, schwarzem Haar aus Texas in ihre Heimat gebracht werden. Sie verbrachte die vergangenen Wochen und Tage in Gefängnissen in Florida, Louisiana und schließlich, kurz vor der Übergabe, in El Paso gegenüber der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juárez.

Zehntausende Mexikaner werden von den US-Behörden jedes Jahr abgeschoben, die meisten von ihnen hatten sich über den Rio Grande nach Norden geschlichen. Sandra Ávila Beltrán dagegen war der US-Justiz als berühmteste Drogenhändlerin der Welt ausgeliefert worden und soll nun heimkehren. Sie ist La Reina del Pacífico. Die Königin des Pazifiks.

Am 25. Juli fällte ein Gericht in Miami sein Urteil in ihrem Fall, der Bücher füllt und eine Fernsehserie. Die Juroren verurteilten die Angeklagte wegen Hilfestellung für einen mutmaßlich kriminellen Liebhaber zu 70 Monaten Haft - die ursprünglichen Vorwürfe wegen Kokainhandels in großem Stil wurden mangels Beweisen fallen gelassen.

Eine Vita wie in einem Roman

Weil sie bereits am 28. September 2007 festgenommen worden war, rechnete man ihr die in Mexiko und den USA abgesessene Zeit an. Am 28. Juli lief die Strafe ab, der Rest war Formalie. Falls keine neuen Anschuldigungen dazu kommen, dann ist die lange attraktivste Figur der Szene fünf Jahre und zehn Monate nach ihrer spektakulären Verhaftung in einem Restaurant von Mexiko-Stadt plötzlich frei. Doch ihre Geschichte geht sicherlich noch weiter.

Es ist eine Vita wie in einem Roman, das Buch und die zugehörige Telenovela gibt es schon längst. Der spanische Schriftsteller Arturo Pérez-Reverte hat den Bestseller "La Reina del Sur" geschrieben, Königin des Südens. Darin geht es um eine theoretisch erfundene Rauschgiftdiva namens Teresa Mendoza und ihren Aufstieg zur bedeutendsten Frau der sonst von Männern beherrschten Branche.

"Jeder weiß, dass die Reina del Sur von Pérez-Reverte eine fiktive Figur ist, und ich habe gar nichts Fiktives, ich bin aus Fleisch und Blut", sagte Sandra Ávila in einem Interview, als sie bereits in einer mexikanischen Zelle saß. Doch Leser mit etwas Phantasie hatten den Eindruck, dass ihre Karriere verblüffend ähnlich war. Es geht um Drogen, Geld, Sex, Luxus, Tod. Bald galt sie als Königin des Südens oder als Königin des Pazifiks, von dessen Küste sie stammt.

Sandra Ávila Beltrán wurde 1960 in Tijuana in Baja California geboren und verbrachte viel Zeit in der Hochburg Culiacán im Bundesstaat Sinaloa. Aus dieser ländlichen Region mit ihren Marihuana-Plantagen zwischen Meer und Bergen kommen die wichtigsten Drogenbarone Mexikos und das bedeutendste aller Kartelle.

"Eine Dame von hohem Niveau"

Sie haben in dieser Gegend alles bestimmt, als zum Kraut auch noch Pulver und Pillen kamen: das Geschäft, die Mode, die Architektur, die Musik. Ihre Gräber auf dem Friedhof sind wie Tempel. In ihren meist kurzen Leben umgeben sich die Paten außer mit Schnellfeuergewehren gerne mit Luxus und Schönheit, da passte die hübsche Frau hinein. Sie gehört obendrein zur Familie.

Zu Sandra Ávila Beltráns Verwandten zählen Verbrecherlegenden wie ihr Onkel Miguel Ángel Felix Gallardo. Ihr wurden Beziehungen mit den Großschmugglern Ismael "El Mayo" Zambada und Ignacio Coronel nachgesagt, der eine ist flüchtig, der andere tot. Zwei ihrer Männer wurden von Polizisten zu Mafiosi und starben im Kugelhagel.

Fast sechs Jahre Haft für Drogenhändlerin

So sieht die echte Sandra Ávila Beltrán aus, hier bei ihrer Verhaftung 2007.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Drogenhandel existiert und das Rauschgift ist überall

Sie soll auch den Sinaloa-Patron Joaquín "El Chapo" Guzmán kennen, meistgesuchter Delinquent der Erde. Die Band "Tucanos de Tijuana" widmete ihr einen Narcocorrido, wie die Lieder für die Dealer heißen. "Eine Dame von hohem Niveau, die ein Schlüssel des Geschäfts ist", sang die Combo.

"Ich kann nicht bestreiten, dass ich zu dieser Welt gehöre", sagte Sandra Ávila Beltrán einem Journalisten. "Der Drogenhandel existiert, und das Rauschgift ist überall. Der Drogenhandel schafft Arbeitsplätze, auf seine Rechnung fließen Flüsse von Geld. Aber ich habe mich auch mit Personen entwickelt, die dem Verbrechen und dem brutalen Kampf um die Macht fern sind. Die Drogen produzieren Zombies, und ich bin gegen den Tod."

Sie berichtete von Festen mit Hubschraubern und Leibgarden, lebte selbst aber unauffällig und gut bewacht in Guadalajara, Hermosillo und Mexiko-Stadt. "Sie passte sehr auf sich auf", berichteten Fahnder. "Sie wechselte ständig ihre Routen." Leibwächter seien ihr stets gefolgt. Ihr Sohn wurde entführt und kam gegen ein Lösegeld von angeblich fünf Millionen Dollar frei, das fiel auf.

Die meisten Verfahren scheitern

Den Ermittlern galt sie gemeinsam mit ihrem kolumbianischen Freund Juan Diego Espinosa alias El Tigre als Kontakt zwischen den Kartellen von Sinaloa in Mexiko und dem Norte del Valle in Kolumbien, wo Koka wächst und zu Kokain verwandelt wird. Man beschuldigte die beiden unter anderem, für einen milliardenschweren Transport von neun Tonnen Kokain zuständig gewesen zu sein. Die Ladung wurde auf einem Schiff von Thunfisch-Fängern vor Manzanillo entdeckt. Dann griff die Staatsmacht zu.

Am 28. September 2007 wurde in einem Restaurant der Kette Vips in Mexiko-Stadt erst Sandra Ávila Beltrán von einem Spezialkommando gestellt, nachher ging auch Lebensgefährte Espinosa ins Netz. Es schien ein Triumph zu sein für den damaligen Präsidenten Felipe Calderón, der den Kartellen den Krieg erklärt hatte.

Mehr als 70.000 Menschen starben seit 2006 in dem Gemetzel. Doch Mexikos Staatsanwaltschaft kam nicht weiter in dem Prozess gegen Sandra Ávila Beltrán, die meisten Verfahren dieser Art scheitern. La Reina del Pacífico wurde in die USA ausgeliefert, jetzt kommt sie zurück.

"Im Gefängnis ist das Wort Nein verboten", sagte sie. "Hier zählt nur 'ja, ja, ja'. In Freiheit würde ich den ganzen Tag ,Nein' schreien."

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