Drogenbanden in Mittelamerika:Im blutigen Viereck

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Am Tatort: Eine Soldatin am Ort einer Schießerei in Guatemala City (Archivbild). (Foto: REUTERS)

Mittelamerika ist in der Hand mordender Banden: In Honduras, Guatemala, El Salvador und Teilen Mexikos herrschen Dealer und Mafiosi. Die Organisation Amerikanischer Staaten sucht nach Auswegen. Einer davon könnte die Legalisierung von Drogen sein.

Von Peter Burghardt, Buenos Aires

Während die Delegierten der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) nach Guatemala reisten, wo sie von diesem Dienstag an über das Gewaltproblem sprechen wollen, ging dort die Gewalt weiter. In den Zeitungen standen Kurzmeldungen wie diese: In einem Viertel von Guatemala-Stadt raste ein Taxifahrer leblos in eine Hauswand, nachdem ihm ein Unbekannter auf einem Motorrad eine Kugel in den Kopf gejagt hatte. In anderen Gegenden der Hauptstadt wurden zwei Minderjährige von halbwüchsigen Killern ermordet. Sechs Frauen starben, laut Polizeibericht wurden drei erschossen, zwei gesteinigt, eine wurde verbrannt. Am Pazifikhafen Puerto Quetzal entdeckten die Behörden 1048 Kilo Kokain in 35 Kisten, Marktwert 8,4 Millionen Euro.

Nicht immer haben Morde und Drogen miteinander zu tun, aber oft. Zentralamerika ist die blutigste Gegend der Welt, Honduras, Guatemala, El Salvador und Teile Mexikos bilden ein Goldenes Viereck für Dealer und Mafiosi. Honduras hat mit 92 Morden pro 100.000 Einwohner die höchste Gewaltrate, San Pedro Sula ist die gefährlichste Stadt der Erde. Washington bezeichnete das Land als "Flughafen der Mafia", weil angeblich 79 von 100 Flügen mit südamerikanischen Drogenladungen Richtung Mexiko dort Station machen. Die Nummer zwei der Todesliste ist El Salvador. In Mexiko starben im Rahmen des Drogenkrieges in sechs Jahren mehr als 70.000 Menschen, mindestens 20.000 werden vermisst.

Zentralamerika liegt auf dem Weg zwischen den Kokain-Produzenten Kolumbien, Peru und Bolivien und den USA. Immer größere Mengen des weißen Pulvers sowie Marihuana, Heroin und Pillen gelangen von dort aus in den Norden, wo laut UN im Jahr 2009 Kokain für 27 Milliarden Euro geschnupft wurde. Die Bürgerkriege der Region sind zwar längst vorbei, die Staaten am Isthmus werden mehr oder weniger demokratisch regiert. Doch vor allem in Honduras, El Salvador, Guatemala und Teilen Mexikos bestimmt die organisierte Kriminalität und terrorisieren Jugendbanden, sogenannte Maras, die Bevölkerung.

Außer mit Drogen wird mit Menschen gehandelt und mit Schmuggelware aller Art. Die Staaten sind schwach und korruptionsanfällig, die wenigsten Verbrechen werden bestraft. Guatemalas Präsident Otto Pérez Molina fordert schon seit einiger Zeit, dass man über die Freigabe von Drogen nachdenken müsse. Pérez Molina widmet sich dem Thema nun als Gastgeber der 43. OEA-Versammlung, die Runde trifft sich nahe der hübschen Kolonialstadt Antigua.

Pérez Molina will über die Legalisierung von Rauschgift sprechen

Der Gastgeber lenkt auf diese Weise ein wenig von seiner verdächtigen Vergangenheit ab, der frühere Offizier war während des Bürgerkriegs im Einsatz, als die Armee indianische Dörfer überfiel. Der ehemalige Diktator Efraín Ríos Montt wurde wegen dieser Massaker kürzlich als Völkermörder zu 80 Jahren Gefängnis verurteilt, doch reaktionäre Kreise ließen das Urteil aufheben. Auch aus dieser düsteren Ära stammt das guatemaltekische Chaos.

Trotzdem ist Pérez Molina einer der wenigen Staatschefs, die über die Legalisierung von Rauschgift sprechen wollen. Drogen, Waffen und Tote würden trotz der Bekämpfung immer mehr, argumentiert er. Der kolumbianische Kollege Juan Manuel Santos kann sich zumindest einen Strategiewechsel vorstellen. Ansonsten schließen sich dem Vorstoß außer Experten hauptsächlich ehemalige Präsidenten aus Brasilien, Kolumbien und Mexiko an, sie alle halten die Schlacht gegen die Drogen für gescheitert. Die USA und andere allerdings lehnen die Debatte ab.

Außenminister John Kerry hat als oberster US-Teilnehmer an dem Gipfel wenig Interesse daran, dass die Diskussion zu weit geht. Stattdessen erhöhen die USA die Militärhilfe für das zentralamerikanische Krisengebiet und fahren die milliardenschwere Unterstützung für Kolumbien und Mexiko zurück. Dabei weist eine umfangreiche Studie unter dem Titel "The drug problem in the Americas" auf den zerstörerischen Teufelskreislauf hin und verlangt einen "flexibleren Ansatz" vor allem beim Umgang mit Cannabis. Konsumenten müssten als Opfer und Süchtige betrachtet werden "und nicht als Verbrecher oder Komplizen des Drogenhandels".

Vorläufig gibt es nur zarte Hoffnung. Kolumbiens Regierung nähert sich nach 50 Jahren Krieg einem Friedensvertrag mit der Guerilla. In El Salvador und Honduras bieten die Jugendgangs eine Feuerpause an. Die tätowierten Mitglieder von Mara Salvatrucha und Mara 18 dealen und morden, sie beherrschen Stadtteile und Gefängnisse. Die Waffenruhe, glaubt jedoch der salvadorianische Generalstaatsanwalt Lus Martínez, sei "heuchlerisch und falsch".

© SZ vom 04.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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