Drogen in Haftanstalten:"Alles, was reinhaut"

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In vielen Weichspülern ist ein Stoff enthalten, der berauschende Wirkung hat - nur nicht in denen, die in Deutschland erhältlich ist. Trotzdem inhallieren viele Häftlinge das Waschmittel. Anscheinend macht auch der Glaube an die Wirkung high.

Christina Berndt

Als der Spürhund das Nasenspray-Fläschchen anbellte, ging den Sicherheitsbeamten in der Justizvollzugsanstalt Remscheid ein Licht auf. Deshalb also war der Verbrauch an Nasenspray in dem Gefängnis in letzter Zeit so stark angestiegen: Offenbar brauchten die Häftlinge die Sprühflaschen für ihre Drogensucht. Wer von Opiaten abhängig ist, dem bieten die Gefängnisärzte meist den Ersatzstoff Methadon an.

Deutsche Häftlinge haben ein neues Drogenproblem: Viele schnupfen Weichspüler, auch wenn in den in Deutschland erhältlichen der berauschende Wirkstoff GBL gar nicht enthalten ist. (Foto: dpa)

Doch viel weiter verbreitet ist unter Häftlingen inzwischen die Sucht nach billigen Partydrogen. Und bei der Suche nach Ersatzstoffen sind der Kreativität der Süchtigen keine Grenzen gesetzt, wie die Vorgänge in der JVA Remscheid und in anderen Gefängnissen nun erneut zeigen. "In der Not nehmen die Süchtigen alles, was reinhaut", sagt der Toxikologe Volker Auwärter von der Universität Freiburg. "Sie schnüffeln auch Klebstoff oder Feuerzeuggas."

Den Insassen in Remscheid ging es weniger um das Nasenspray. Sie benutzten die Sprühfläschchen offenbar, um sich eine überraschende Droge zuzuführen: Weichspüler. Zu diesem Schluss ist das Justizministerium in Düsseldorf gekommen, nachdem es den milchigen Inhalt der Fläschchen genauer untersucht hatte.

Darin befand sich handelsüblicher Weichspüler, den Nordrhein-Westfalens Haftanstalten ihren Insassen bisher überließen, um damit ihre Handwäsche zarter zu machen. Jetzt ist die Weichspüler-Ausgabe gestoppt worden - auf Erlass des Justizministeriums. Das glaubt, der Weichspüler enthalte drogenähnliche Bestandteile. Denn eine Laboranalyse fand in den manipulierten Fläschchen die Substanz GBL (Gamma-Butyrolacton).

70 Euro der Liter

GBL gleicht chemisch der Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB), die in der Medizin als Narkotikum verwendet wird. In kleineren Mengen aber wirken GBL und GHB euphorisierend, enthemmend und berauschend. Seit Jahren wird GBL daher als Partydroge verwendet, auch als Liquid Ecstasy oder K.o.-Tropfen bekannt. Während GHB dem Betäubungsmittelrecht unterliegt, ist GBL quasi überall zu haben.

"Es gab immer wieder Diskussionen, die Substanz zu beschränken, denn der Konsum ist gesundheitsschädlich und kann tödlich enden", sagt der Toxikologe Auwärter. GBL wird in der Industrie für viele Herstellungsprozesse benötigt. Vor allem in Lösungsmitteln ist GBL enthalten - auch in manchen Nagellackentfernern, bis diese wegen ihres verdächtig hohen Absatzes vom Markt genommen wurden. In Freiheit bestellen sich Abhängige einfach Reinigungsmittel im Internet - "den Liter für 70 Euro", wie Auwärter sagt. "Das reicht für tausend Einzeldosen."

Das Überraschende ist nun: Ausgerechnet Weichspüler scheint unverdächtig zu sein. GBL "ist in Weichspülern auf dem deutschen Markt nicht enthalten", betonte der Industrieverband Waschmittel. Den Widerspruch kann Ministeriumssprecherin Andrea Bögge nicht aufklären. Der Weichspüler selbst sei in den Haftanstalten nicht getestet worden, auch die Menge an GBL in den mit Weichspüler gefüllten Nasensprayfläschchen nicht.

Womöglich haben die Häftlinge GBL auf anderem Weg erhalten und es dann mit Weichspüler gemischt - was angesichts von dessen klebriger Konsistenz allerdings überraschend wäre.

Der Drogenexperte Auwärter nimmt daher an, dass im Weichspüler winzige Spuren von GBL enthalten sind, wie sie in vielen Dingen, auch in jedem Wein, vorkommen. Womöglich reichten die Mengen gar nicht für einen Rausch. "Wenn aber erst einmal so ein Gerücht unter Häftlingen kursiert, dass Weichspüler eine gute Ersatzdroge sei, dann hat das oft frappierende Wirkung", sagt Auwärter. Die Häftlinge glauben dann fest daran, sich am Weichspüler berauschen zu können. Offenbar fest genug. Suggestion und Halluzination hängen eben eng zusammen.

© SZ vom 28.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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