Drama in US-Zoo:"Auch Hauskatzen bringen sich gegenseitig um"

Drama in US-Zoo: Löwin Zuri lebte jahrelang ohne besondere Vorkommnisse im Zoo von Indianapolis. Doch dann biss sie einen Löwen zu Tode.

Löwin Zuri lebte jahrelang ohne besondere Vorkommnisse im Zoo von Indianapolis. Doch dann biss sie einen Löwen zu Tode.

(Foto: AP)

In den USA hat eine Löwin den Löwen getötet, von dem sie drei Jungen bekommen hat. Ist das normal? Ja, sagt der Forscher Joachim Scholz.

Interview von Max Sprick

Auch ein paar Tage nachdem publik geworden ist, dass eine Löwin in einem Zoo in Indianapolis einen Löwen totgebissen hat, ist die Aufregung gerade in sozialen Medien groß. Er war ihr langjähriger Partner und Erzeuger der drei gemeinsamen Jungen. Ist die Gefangenschaft schuld? Und: Warum wühlt das viele Menschen derart auf? Ein Gespräch mit Joachim Scholz, der an der Goethe-Universität in Frankfurt die deutschlandweit einzige "Löwen-Vorlesung" hält, wie er sie nennt. Offiziell heißt sie: Angewandte Paläontologie des Löwen.

SZ: Herr Scholz, können Sie erklären, was in den USA passiert ist?

Joachim Scholz: Da möchte ich Bernhard Grzimek zitieren. Der schrieb: "Seit Jahrtausenden leben Katzen unter unserem Dache und bleiben doch noch immer Rätsel, quälende, fast traurige Rätsel." Das ist das Faszinierende an Katzen, ob groß oder klein. Diese Tiere sind Persönlichkeiten mit manchmal unergründlichem Charakter, es gibt Schmusekatzen und weniger nette Vertreter. Auch Hauskatzen bringen sich übrigens mal gegenseitig um - vor allem Kater die Katzenwelpen, die nicht von ihnen stammen.

Der Fall überrascht Sie also nicht.

Nun, die Evolution hatte Millionen von Jahren Zeit, aus Löwen Killermaschinen zu machen. Wenn ein Löwe einen anderen beißt, kann das übel ausgehen. Dieser Fall überrascht mich daher nur insofern, als ich noch nicht mitbekommen habe, dass eine einzelne Katze im Zoo einen Kater tötet. Denn der ist eigentlich viel stärker.

Drama in US-Zoo: Joachim Scholz, Löwenexperte von der Goethe-Universität in Frankfurt.

Joachim Scholz, Löwenexperte von der Goethe-Universität in Frankfurt.

(Foto: oh)

Dieser jedoch war mit weniger als 150 Kilogramm ein eher kleiner Löwe.

Richtig. Die Löwin ist eine Jägerin, der Löwe ein Kämpfer, sie haben in einem Kampf also eigentlich unfaire Bedingungen.

Denken Sie, die Gefangenschaft spielte eine Rolle in diesem Kampf?

Diese Tiere sind nun mal so. Sie wissen voneinander, dass ein Streit sehr oft tödlich ausgeht. Deswegen tun Löwen viel, um Aggressionen zu vermeiden. Von Lautäußerungen über Demutsgebärden und Mimik. Dass so etwas dann mal eskaliert, passiert. Ob in der Wildnis oder im Zoo.

In Deutschland zuletzt 2017, als in Erfurt ein Löwe seine Partnerin tötete.

Da war schnell klar, warum: Die Löwin war krank, sie hat vermutlich anders aus dem Maul gerochen. Vielleicht war es in den USA ähnlich, Katzen sind enorm schmerzresistente Tiere. Es kann sein, dass auch dieser Löwe krank war. Aber das ist Spekulation, die Hintergründe kenne ich nicht.

Können Sie die Aufregung verstehen, die nun weltweit vor allem durch soziale Medien geht?

Absolut nicht. Löwen leben in sozialen Verbänden, da herrscht ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Aggression und Zuneigung. Nun war vielleicht die Aggression stärker. Was eben wahrscheinlicher wird, wenn Tiere nicht weglaufen können.

Sollten Raubkatzen also nicht mehr in Zoos gehalten werden?

Doch, unbedingt! Die Löwen sterben aus, ohne dass der Mensch es merkt. Es gibt weltweit nur 20 000, und Studien, nach denen sie in 50 Jahren ausgestorben sind.

Und warum bekommt der Mensch davon nichts mit?

Weil der Löwe omnipräsent ist. Ich denke, das ist auch Grund für die Aufregung. Wir sehen Löwen in der Werbung, in Wappen von Bundesländern und Fußballvereinen, nehmen Sie nur in München den TSV 1860! Wir bestaunen den "König der Löwen", in Dokumentationsfilmen bewundern wir ihn bei der Jagd. Dabei merken wir nicht, dass diese Dokus im immer gleichen Reservat gedreht und immer wieder wiederholt werden. Keiner merkt, dass das real existierende Tier nebenbei verschwindet.

Was kann man dagegen tun?

Peta wird dagegen demonstrieren, aber: Wir müssen Löwen weiter in Zoos und vielleicht auch in gut geführten Zirkussen halten. Wir müssen unseren Kindern zeigen, dass es ihn gibt, dass man ihn schützen muss. Verlieren wir den Löwen, verlieren wir einen Teil unseres Selbst. Ohne ihn hätte sich der Steinzeitmensch vielleicht keine Höhle ergo Wohnung gesucht.

Aus dem Zirkus ist er fast verbannt.

Neulich war ich im Zirkus in Frankfurt und habe mir die Tiere hinter den Kulissen angeschaut. Und wissen Sie was? Löwen und Tiger, die in Gefangenschaft häufig zu stereotypen Verhalten neigen, haben kaum Auffälligkeiten gezeigt. Vielleicht, weil sie im Zirkus immer Action und keine Langeweile haben. Aber natürlich sind Zoo und Zirkus zwei verschiedene Schuhe, für den Zirkus werden Unterarten gekreuzt, die mit Zoo-Exemplaren nicht vergleichbar sind. Zucht zur Arterhaltung ist nur im Zoo möglich, nach festen Regeln und Zuchtbüchern. Da vermehren sie sich so gut, dass Weibchen Verhütungspillen brauchen.

Wieso das?

Löwen haben im Zoo sehr erfolgreiche Reproduktionsraten. Der Vorfall in Indianapolis spricht also per se keinesfalls gegen die Haltung in gut geführten Zoos - zur Arterhaltung und auch für uns, um diese prachtvollen Tiere zu erleben.

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